Spaziergang durch Rochefort-en-Terre, Bretagne

Das Ortsschild müsste einer Litfasssäule gleichen, wenn die kleine Gemeinde Rochefort-en-Terre alle ihre Auszeichnungen direkt unter den Namen setzen wollen würde. Man schmückt sich als das schönste Dorf Frankreichs (2016), als allererstes Village Fleuri überhaupt und auch noch als Petite Cité de Caractère. Eine herausgeputze Idylle von Städchen, das stolz auf sich ist und sich nur zu gerne den Touristen zeigt - und die sind längst da, so viel ist sicher.

Es ist ein sonniger Tag mit kühlem Wind im Südosten der Bretagne. Das Meer ist vierzig Kilometer entfernt, nichts deutet hier auf Sommerfrische hin. Rochefort liegt verschlafen in einer grünen Landschaft, duchzogen von Hecken, bewacht von dunklen Eichenwäldern. Einen kleinen See gibt es in der Nähe und irgendwo in den grünen Tiefen um die Stadt herum fließt ein unsichtbarer Bach. Für bretonische Verhältnisse liegt Rochefort in den Bergen. Es sind aber nur Hügel, hin und wieder lugt ein Fels aus ihnen hervor.

Die Herren von Rochefort bauten im 12. Jahrhundert ein Schloss in das Märchenland, Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es von dem amerikanischen Künstler Alfred Klots restauriert und später vom Staat gekauft. Zugänglich ist es nur einmal im Jahr am Journée de la Patrimoine. Ansonsten gibt es im Ort nichts. Nichts, außer malerischer Kulisse, Harry-Potter-Flair, Blumen, kleinen Geschäften und Touristen. Aber genau betrachtet ist das sehr viel. Der Flaneur entdeckt immer wieder verträumte Ecken, er ent-eckt quasi und lässt sich von dem Emsemble der Häuser verzaubern. Wen stört es schon, dass man das mit einigen anderen Schaulustigen teilen muss?

Das Örtchen ist schnell zu Fuß erschlossen, nur die Autos, die mitten durch die Rue du Château fahren und nichts davon halten, die Zone Semi-Piétonne zu respektieren und auf die Füße der Spaziergänger zu achten, stören die Idylle. Sind die Füße heil geblieben, kann man dies bei einem Mahl in einem der Innenhöfe feiern. Die Restaurans der Rue du Porche sind um die Mittagszeit voll besetzt, die wenigen Straßen wie leergefegt. Man genießt die Sonne und das Ambiente.

Wir ziehen uns in die Crêperie La Terrasse in der Rue St. Michel zurück. Es gibt - wie der Name vermuten lässt - eine Panorama-Terasse und das ist nicht übertrieben. Weit in das Grün der Landschaft geht der Blick und herunter in den kleinen Garten, der zum Haus gehört. Die Galette ist köstlich, knusprig und genau das Richtige für den kleinen, herzhaften Hunger. Dazu bestelle ich Erdbeersirup à l’eau. Kindheitserinnerungen. Hier wird Breizh-Cola in Gläser von Coca Cola gegossen.

Rochefort erwacht nur langsam wieder aus dem Suppenkoma. Die kleinen Lädchen, selbst jene, in denen man nur Postkarten und Kühlschrankmagnete kaufen kann, halten eisern ihre Mittagspause ein. Mittlerweile brennt die Sonne doch ordentlich vom Himmel und nimmt den Häusern ihr schweres Granit-Grau, illuminiert Hortensien und Efeu und bewegt das Lichtspiel der Platanen auf dem Weg zum Schlossgarten. Das Schloss ist zwar geschlossen, aber der Besuch in dem kleinen Garten ist gratis. Viel zu sehen gibt es nicht. Ein paar Blumen, von einem Kiesplatz umrahmt und eine ungemähte, zerrupfte Graswiese davor. Der Star ist der Blick auf Rochefort. Man schaut sich die Gassen von oben an, das Meer der Dächer und schiefen Schornsteine, die kleinen Moosflecken und Mäuerchen. Ja, Rochefort-en-Terre ist schon ein kleines Paradies. Ein Glück, dass es auf der Erde liegt und nicht etwa Rochefort-en-Ciel heißt. Es fehlt nur wenig und man würde auch diesen Namen für gerechtfertigt ansehen.

Infos
:arrow_right: Département Morbihan, 100km von Nantes und 100km von Rennes entfernt , ca. 700 Einwohner
:arrow_right: Internetauftritt des Office de Tourisme
:arrow_right: Ein 10-minütiger Youtube-Film stellt den Ort vor

Impressionen

Hach, das weckt Sehnsüchte und bei den Bildern muss ich sagen das gefällt mir besser als Locronan. Danke für den kurzen Bericht :top:

Danke für die schönen Bilder Avonlea. :wink: Ich kenne die Bretagne ziemlich gut , aber dort war ich noch nie.

:top: Herrlich grün! Danke für den Bericht und die schönen Bilder. Wenn da nicht die Liebe zur Camargue wäre, würden wir wohl auch mal in der Bretagne landen… Na ja vielleicht als Rentner… :laughing:

Ha! Da habe ich genau das Richtige für dich, die Halbinsel Guérande. Die hatte ich für diesen Urlaub ausgesucht, weil ich ja selber eine Südpflanze bin und keine Lust hatte, bei 15°C zu frieren. Wenn ich schon bereit bin, in die Bretagne zu fahren. :mrgreen:
Ich wähnte mich tatsächlich in der Camargue. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, schreibe ich dazu auch noch ein Thema.

Wir können ja tauschen, ich fahre nächstes Jahr mal nach Locronan und du nach Rochefort. :wink:

Sehr schön ! :smiley:
Ich hatte ja damals auch SEHR grosse Bedenken mein geliebtes Mittelmeer zu verlassen !
Ich kenne viele Ex-südler die nun ohne Reue am Atlantik wohnen. Vielleicht sollte man das nicht so laut sagen,denn das " Touristenchaos " am Mittelmeer ist nicht so krass.
:mrgreen: :tomato: :sport:

Ps: wieder 32° heute , :fete:

Wir können ja tauschen, ich fahre nächstes Jahr mal nach Locronan und du nach Rochefort. :wink:
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Da wir am Golf von Morbihan noch nicht waren, ist das auf jeden Fall mal eine Idee für den Sommerurlaub nächstes Jahr, wobei es weiter im Westen doch kühler Wird Avonlea [size=85]Ok, ich teile die Bretagne nur ungern :laughing: [/size]

Rochefort… Auch in der Bretagne begegne ich den katalonienischen Namen, die ich dort gesehen habe :smiley:

Schöne Bilder Avonlea