Marseille

Vorausschicken muss ich, dass es wirklich persönliche Eindrücke sind, die Erfahrung eines schönen Tages, zusammen mit Martine von En Vadrouille.

Es war am 18. September 2008 und ich hatte mich schon sehr lange darauf gefreut. Und jetzt weiss ich nicht Recht, wo beginnen. Ich kannte zwar Marseille, aber nur wenig, vor allem so, wie die meisten Fremden die Stadt kennen lernen und von Beschreibungen. Und doch mochte ich sie vom ersten Augenblick unserer Begegnung an. Ich sah in Marseille das allererste Mal in meinem Leben das Meer. Da war ich 17. Ich kannte die Stadt von Beschreibungen von Freunden, auch die Schattenseiten, die überall existieren, wo Licht vorhanden ist. Ich kannte es aus Filmen und Berichten.

Was ich dann an diesem Tag mit unserer kleinen Gruppe erlebte, stellte alles in den Schatten. Die Stadt hautnah mit ihren vielfältigen Stimmungen, Ihre Buntheit mit den unterschiedlichen Bewohnern und Ausblicken. Wir absolvierten beinahe alles zu Fuss und mit zwei Tramfahrten. Der Kinder zuliebe gab es auch einmal eine Auto-Umplatzierung g

Hautnah in vielen Facetten, in engen Gassen, zwischen den Häusern des Panier, auf den Plätzen – zwei davon Place des Moulins (wo wir uns wie in einem kleinen Dorf vorkamen) und Place de Lenche (wo wir uns mit Eric trafen) als Beispiele. Ich spürte die Welt, die mir beschrieben worden war, nun selbst, so wie nie zuvor. Und ich musste feststellen, dass dabei Marseille begann, die Stadt, die bisher in meinem Herzen den ersten Platz einnahm, zu verdrängen, zu überflügeln – Paris. Oh nein, ich mag Paris immer noch. Aber Marseille hat mehr Charme und Wärme. Das ist meine persönliche Empfindung.

In diesem Zusammenhang eine besondere Empfehlung: Wer einmal in der Gegend dort ist und die Stadt auf wirklich gute Weise kennen lernen möchte, bitte meldet Euch bei unserem Guide und bucht so einen Tag. Es lohnt sich. Es öffnet sich alles gleich ganz anders, als es sonst ist. Sie kann sehr gut Deutsch übrigens, auch wenn sie eine Südfranzösin ist. Und sie lernt nun auch Englisch, so dass sie auch solche Gruppen führen kann. Und sie führt sehr kleine Gruppen bis grosse, je nach Bedarf. Möglichst viel zu Fuss, aber es können auch andere Arrangements getroffen werden. Ich empfehle es von ganzem Herzen. Sie hat dieses Jahr mit diesem Geschäft begonnen, auch wenn sie schon zuvor im Tourismus gearbeitet hat. Alles nun auf eigene Rechnung und sehr kompetent. Telefon: +33 6 62 73 81 84 (Martine Brun)

Zurück zu meinen Eindrücken. Jede Grossstadt hat neben der Helligkeit auch ihr Dunkles, das ist klar, diese wie jene und das kann überall vorkommen, dass einem Unerfreuliches begegnet. Wo viele Menschen sind, gibt es auch welche, die es nicht gut meinen. Aber wie oft ist die Tendenz vorhanden, dann nur die Schauergeschichten zu hören. Das ist schade, denn es gibt eindeutig immer die verschiedenen Seiten.

Wir sahen die Corniche mit ihren Ausblicken. Und auch wenn der Tag nicht strahlendblau daherkam, waren die Aussichten ganze besonders eindrücklich. Immer wieder brach das Licht durch die Wolken und vermittelte einen besonderen Zauber, was in der Folge bei allen Ausblicken aufs Meer oder auf die Stadt der Fall war. Viel spannender als mit blauem Himmel. Wir stiegen zur Bonne Mère (Notre Dame de la Garde) und hatten dort diese einzigartige Sicht auf die Stadt. Gerade die Wolken boten Stimmungen, die es in sich hatten. Wir besichtigten die Kirche.

Die Krypta ist einfach gestaltet, arm könnte man sagen – mit Absicht – und ist in den Felsen hinein gebaut. Das Innere der eigentlichen Kirche ist sehr reich – Marmor, Gold, Mosaik, Gemälde (Mosaike halten länger als Gemälde und wurden vorgezogen). Die Formen sind geometrisch und doch auch orientalisch, schön aufeinander abgestimmt. Römisch-byzantinisch. Es wirkt auf mich nicht überladen, aber schön.

Danach ging es zur Cité Radieuse von Le Corbusier „La Maison du Fada“, dabei fuhren wir ein Stück auf der Avenue du Prado, wo gerade Markt war.
Die Dachterrasse ist wie ein Schiff gestaltet und auch von da aus ist die Sicht auf die Umgebung toll, auf das Viertel der reichen Villen, auf die Colline de Saint Joseph mit oben der Kapelle, auf die Estaque-Bergkette, auf die Dächer der Stadt. Auf dem Rückweg halten wir beim Stade Vélodrome (wer ist dort zuhause, wer???)

Schliesslich stellten wir die Fahrzeuge in einer Tiefgarage ab, im Parking Charles de Gaulle. Von da aus bummelten wir Richtung Panier. Wir querten und durchstreiften Gassen, Strassen, suchen uns den Weg durch Menschen und Gebäude.

Wäsche, die in den Gassen getrocknet wird, aufgehängt. Häuser aller Arten und Farben und in sehr unterschiedlichen Zuständen. Und schliesslich treffen wir Eric Tanga auf bereits erwähntem Platz. Wir haben ziemlich Verspätung, aber er nimmt es gelassen und wir essen in einem der Restos des Platzes, reden, lachen, diskutieren, philosophieren, fachsimpeln und das alles ohne jeden Stress.

Und wieder ging es weiter. Wir stiegen Treppen hoch und runter. Immer mal wieder sah man hinunter auf den Hafen. In der Kathedrale gibt es eine Orgel, dessen Pfeifen nicht in die Höhe sondern in den Raum ragen – wagrecht.

Wir wanderten zur Festung Saint-Jean. Von da aus ist sehr gut erkennbar, dass der alte Hafen von Marseille, der Vieux Port eine Calanque ist, eine Meereszunge, die ins Land hinein leckt. Und da gibt es eine kleine Geschichte von früher, die gerne erzählt wird.

Eines Tages begab es sich, dass der Eingang zum alten Hafen der Stadt von einer Sardine verstopft wurde. Grosse Aufregung und Planung und Diskussion, wie der Eingang wieder frei zu kriegen wäre. ?? Eine Sardine? mögen sich manche zu Recht wundern. Oh ja, so war es.  Ungläubiges Staunen? Eine Lüge. Oh nein, nichts davon oder vielleicht eine kleine Unwahrheit? Eine leichte Beugung der Wahrheit? Das Schiff, das im Eingang des Hafens sank, hiess so. (Lachen ist durchaus erlaubt)

La Vieille Charité: Es ist ein Ort, der irgendwie friedlich wirkt, wo Ausstellungen stattfinden und wo es früher doch so viel Leid gab. Die Armen und Obdachlosen der Stadt wurden hier weg gesperrt, eingesperrt. Sie mussten arbeiten, wurden nicht sehr freundlich behandelt. Wenn jemand floh, mehrere Male, kam er auf die Galeeren. Irgendwie traurig. Und heute wirkt es hier angenehm und friedlich, wie eine stille Oase, in der Kraft geschöpft werden kann.

Treppen runter und rauf und runter zum alten Hafen. Wir trinken etwas, sehen uns die Schiffe an und erleben eine sehr freundliche Bedienung. Ich begegne sowieso an diesem Tag in der Stadt vielen freundlichen Gesichtern. Später selbst in der Strassenbahn, die wir von der Canabière aus bis zum Palais Longchamp nehmen.

Museen, Laden, Kaufhäuser, Karussell, langsam nachtet es ein und Lichter gehen an und wieder wird ein Toilettenhalt notwendig, also gingen zwei von uns Café trinken und die anderen warten draussen und sehen dem Treiben zu. Da heisst es auf einmal, wir sollten auch rein kommen, sage der Monsieur und nicht da draussen stehen bleiben müssen. Lächelnde Gesichter, schöner Laden mit einem kleinen Café.

Leider konnten wir übrigens die kleine Chocolaterie im Panier nicht besichtigen. Sie war geschlossen. Auch die Savonerie. Die Seife von Marseille ist weit herum bekannt. Wisst Ihr warum? Ratet mal. Auch wenn das nicht dabei war nun, wir haben so viel gesehen, so viele Eindrücke gesammelt, dass sie nicht einfach zu erfassen sind, dass es vor allem auch nicht einfach zu beschreiben ist. Der Park des Palais Longchamp ist leider auch bereits geschlossen.

Doch viele Eindrücke, wie erwähnt, und eine erwachende Liebe (oder bestätigte) zu einer farbigen und lebendigen Stadt. Auf ein Wiedersehen. Ich hoffe, ich konnte etwas davon vermitteln.

Netter Bericht. Ich war einmal in Marseille, so Anfang der 90er im zarten Alter von zwei Jahren :smiley: . Da erinnere ich mich an gar nichst.

Wieder auf die Stadt aufmerksam geworden bin ich durch eine Reportage im Merian-Heft « Provence » von 1994, das ich vor ein paar Jahren günstig erstehen konnte. Die trug den Titel « Transit Marseille » und war ziemlich interessant. Marseille kann nicht besichtigt werden, man muss es entdecken, meint der Autor.
Keiner fährt nach Marseille wenn er nicht unbedingt muss, es wird umfahren von denen, die an die Côte d’Azur wollen.
Doch Marseille habe « Lebenswut », trotz des negativen Images von Verbrechen, Drogen und der Mafia. Während die Einwanderer aus aller Welt überall in Frankreich sonst abgewiesen wurden, habe Marseille sie empfangen, und ist so nicht nur provenzalisch sondern auch orientalisch etc.

Ich fand es ganz interessant, eine Stadt so zu analysieren. Wahrscheinlich werde ich irgendwann nochmal hinfahren und sie mir anschauen. Dennoch: Es ist eine Großstadt und mir wird es wohl ähnlich ergehen wie mit anderen Städten dieser Art oder wenn meine Mutter ein neues Rezept ausprobiert: Schmeckt gut, brauchst du aber nicht wieder zu machen :smiley:

Marseille ist die Partnerstadt von Hamburg. Gibt es da Parallelen? Wenn ich mir Marseille vorstelle, dann glaube ich ist es wie mit Hamburg. Eine schöne, aber sehr kaputte Stadt mit dem Flair der großen Welt und dem Hafen als raues Herz.

C’est bien, c’est super qu’il y ait de plus en plus des fadas de la vila de Marselha :wink:

Hamburg kaputt :unamused: Zumindest der HSV ist doch 1. in der Liga :lol:
Marseille jedenfalls wird peu à peu grundsaniert und auf die Moderne vorbereitet. Gerade das Panier wird Straßenzug für Straßenzug von den Spekulanten aufgemotzt. Die Stadt hat leider ihren abschreckenden Ruf verloren. Bald wird wohl auch La Plaine, das Szeneviertel wegradiert sein, auf dem Weg zur Kulturhauptstadt. Das ist traurig aber das ist Realität…

Apropos Hamburg: In Marseille so wurde mir gesagt ist derzeit das Wort TSCHUSS absolut branché…

Ja, die guten Handballer retten die Ehre der Stadt… Aber ob die schon mal abends U-Bahn gefahren sind?

Das kann dir aber auch in München passieren :laughing:
Trotz unserer schwächelnden Orderparty

Als wir nach Marseille rein fuhren waren mein Mann und ich sofort fasziniert, wir sind dann als erstes zur „Bonne Mère“ hochgefahren und ich habe selten so ein beeindruckendes Panorama gesehen. Es war soooooo groß aber trotzdem so sehr gemütlich und klein und dann durch die Straßen zu schlendern und all die Geschichten zu hören.
Ich hatte nie das Gefühl fremd zu sein.

Einen Vergleich mit Hamburg kann ich leider nicht ziehen, denn dort war ich noch nie.

Ja, der Panier ist wirklich im Eimer, öh Umbruch, das ist mir auch aufgefallen. Und die Quartierbewohner werden „raussaniert“, haben mir einige erzählt.

Andererseits, im Belsunce „wuselts“ :wink: noch reichlich, find ich. Und solange es noch Fähren in den Maghreb gibt (herrlich, die Szenen vor den Festtagen in der Wartehalle am Fährhafen!) und solange die heilige Jungfrau und der OM über die Stadt wachen, wie soll Marseille da seine Seele verlieren?

Rings um die Joliette übrigens ist das Kernstück des grossen Stadtentwicklungsprojekts Euroméditerranée, geplant sind ein paar weitere Glaspaläste, bis fast hinauf zur Belle de Mai (mais bon, das war vor der Finanzkrise…).

Aber die Docks sind dock ganz nett geworden, nicht?

So oder so: Schuld an allem ist natürlich die Strassenbahn :laughing:

Ich bin noch nie in Marseille gewesen… und komischerweise zieht mich diese Stadt überhaupt nicht an :blush: Ich kann aber nicht erklären warum… vielleicht einfach, weil ich Pariser bin ^^

[size=75]Eine Freundin studiert dieses Jahr in Marseille… das wäre eine Gelegenheit…[/size]

Ich bin auch eher ein « Kind » des Nordens. Und ich hab zwei Anläufe gebracht, bis ich mich in Marseille wirklich wohl fühlte

Trotzdem, grosse Hafenstädte, die ziehen uns Bergler* einfach magisch an.
Das Gefühl, dass das Wasser weniger trennt als verbindet, dass es eine kulturelle Klammer um dieses « Mare Nostrum » gibt, all das find ich schon faszinierend.

Andererseits: den melting pot, das ist wohl wahr, den haben wir hier in Paris auch :wink:

*wart nur, noch ein paar Monate Linz, und Du bist auch so weit :laughing:

:top: Dito. Beim ersten Mal fand ich die Szenerie am Alten Hafen traurig. Ich musste auch feststellen, das Marseille bei schlechtem Wetter vollkommen anders ist als bei schönem. Hektischer, chaotischer, rauher…

:top: Und jetzt weiß auch ich warum :laughing:

:top: Weil wir alle ein bisschen Marseillais(es) sind

Aber (1) ohne Mistral (tuyau->mislep : falls du sehr windempfindlich bist solltest du bald losfahren. der Mistral wird nämlich jetzt immer kälter und rauher) und dem darauf folgenden Lichterglanz (wahrscheinlich inklusive reinster Alpenluft mit Rhonegeschmack :wink: )
Und (2) tendenziell schönem Wetter (damit kann man angeblich Pariser mit ärgern)
Und (3) einem gescheiten Fußballklub mit engagiert antirassistischen :top: Fans (damit kann man auch Fußballmuffel ärgern :smiley: )

und +++

Richtig: Der Unterschied zwischen Marseille und Paris ist einfach wie der Unterschied zwischen PSG und OM :wink:

:top: :smiley: [/u]

Was ist ein Thread über Marseille ohne Izzo, denk ich… und will schon loslegen, dabei steht alles schon hier: :veneration: bonjour-frankreich.com/forum … light=izzo

Jaja Marseille ist schon voll durchgekaut worden hier :laughing:

Hallo Marina,

man merkt an deinem Bericht wirklich wie sehr du diese Stadt liebst. Beim lesen habe ich mich an meine eigene Marseillereise erinnert und hatte plötzlich auch wieder diese ganzen Bilder vor Augen. Ich war 2005 während einer Kreuzfahrt ins Mittelmeer für zwei Tage in Marseille und war auch fasziniert von diesem ganz speziellen Flair der Stadt. Gerne hätte ich mehr Zeit dort verbracht. Aber ich bin noch jung und werde sicherlich nochmal Urlaub in Marseille machen :smiley:

Edit-Moderateur cristobal: Link zur Kreuzfahrtgesellschaft gelöscht, weil kein Zusammenhang mit der angesprochen Reise herzustellen war… bitte kommerzielle Werbung so weit wie möglich vermeiden. Merci.

Soooo, es ist vollbracht. Ich habe meinen Reisebericht 2008 online. :blush: Falls jemand meine Bilder aus Marseille gucken möchte. → mattinas-abenteuerland.de/Fr … _2008.html

:merci: für die schöne Bilderreise von Corbusier bis Notre Dame! Da habt Ihr ja einiges erlebt!

War das eine geführter Gruppen-Städtebummel?

[size=75]Und natürlich wieder ein Schweizer vorneweg auf der Autobahn… die sind wirklich überall… [/size]:lol:

Sehr interessante Impressionen von Marseille, Souris.

In meiner Phantasie lebt(e)(dank Cristobal und trotz M. Izzo) ein ganz anderes Bild (blauer Himmel und strahlende Sonne über netter Marina etc. :laughing:). Die Vorstellung von Marseille muß ich jetzt erst mal neu komponieren. Wahrscheinlich liegt es an dem bedeckten Himmel, aber die Fotos erinnern mich stark an Genua. Merkwürdigerweise war der Himmel dort immer finster und es hat in Strömen geregnet, wenn wir uns einschiffen mußten.

Deine anderen Urlaubsbilder sind auch sehr schön. Ich sehe schon, eine Woche Aix reicht wahrscheinlich nicht, um sich Kenner des midi nennen zu dürfen. :wink:

Ich dachte, das wärest Du ! :wink:

[

Stimmt, an dem Tag war es bedeckt, aber geregnet hat es nur als wir ankamen. Eigentlich waren wir ganz froh, dass die Sonne nicht geschienen hat, denn dann wäre es sicher nicht so angenehm gewesen die Stadt zu erkunden, warm war es trotzdem. :slight_smile:

Ouais Marseille is ganz anders wenn die Sonne mal nicht scheint. Meinen Beobachtungen nach eher unruhiger und hektischer.
@souris: Auf alle Fälle müsst ihr noch mal hin wenns « das » Marseiller Licht gibt. Dann is die Stadt echt atemberaubend

Ja, Cristobal, das werden wir auf alle Fälle machen. Es gibt ja auch sooooo viel, was wir noch sehen wollen. :slight_smile:

Oui c’est un jour impeccable à Marseille aujourd’hui