die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert (La Vérité sur l’Affaire Harry Quebert) ist ein dicker Krimiroman (670 Seiten) aus dem Jahr 2012. Ins Deutsche wurde er schon übersetzt und ist in den deutschsprachigen Buchhandlungen seit August 2013 verfügbar.
Autor ist der 1985 in Genf geborene Schweizer Joël Dicker . Das Buch wurde von den Kritikern gelobt, bekam den Grand Prix du Roman der Académie Française, sowie den Prix Goncourt des lycéens. Außerdem wurde es auch bei den Lesern erfolgreich: 650.000 Bücher wurden in Frankreich gekauft, 85.000 in der Schweiz (frz Ausgabe).

Die Geschichte ist ein bisschen kompliziert, denn 3 Handlungen mischen sich im Laufe des Romans.
Marcus ist ein junger Schriftsteller aus New York, der einen erfolgreichen Roman geschrieben hat. Bald muss er seinem Verlaghaus einen zweiten Roman liefern. Er hat aber nichts geschrieben, weil ihm die Inspiration fehlt. Er entscheidet sich, ein paar Tage in einer Kleinstadt an der amerikanischen Ostküste zu verbringen, und zwar bei Harry Quebert, einem ehemaligen Literaturprofessor von ihm, der in den 70er selber einen Roman geschrieben hatte, der jetzt als Klassiker gilt. Dort erfährt Marcus, dass Harry zur Zeit des Schreibens seines berühmten Buches eine Affäre mit einem jüngeren Mädchen hatte, das spurlos verschwunden ist. Kurz nachdem Marcus wieder nach Hause fährt, werden im Garten Queberts die Überreste des Mädchens gefunden.
Der Roman geht auf 3 Ebenen weiter: die Geschichte des Mädchens in den 70er, die Ermittlungen im Jahr 2008 und das Schreibens des neuen Romans von Marcus über Harry Quebert.

Hintergrund der Geschichte ist das Kleinstadtleben in Amerika: viele Heuchelei, viele Lügen, nichts ist wie es scheint, vieles ist gewusst aber bleibt verschwiegen. Das ermöglicht viele Wenden im Laufe der Ermittlung, die für große Überraschungen und Spannungen sorgen.
Die Figuren, die die Stadt bevölkern, sind vielleicht etwas zu karikaturartig: die unglücklich verliebte Kellnerin, die von einem besseren Leben träumte, der geheimnisvolle Fabrikbesitzer, der verdächtige Behinderte mit trauriger Hintergrundgeschichte usw. Dennoch haben sie alle die Möglichkeit, sich im Laufe des Romans zu entwickeln, denn in dieser scheinbar ruhigen Stadt hat jeder etwas zu verbergen und durch die Ermittlung wird jeder seine Wahrheit aussprechen, und sein wahres Gesicht zeigen.

Zusammengefasst: ein sehr spannender Roman (die 670 Seiten sind sehr schnell vorbei), der für Spaß beim Lesen sorgt. Durch die im ganzes Buch gut verteilten Enthüllungen hält die Spannung bis zu den allerletzten Seiten und lässt dem Leser keine Zeit zur Langeweile, sondern regt ihn zur ständigen Infragestellung seiner Vermutungen an.

Danke für deine Präsentation!
Ich hatte in einem Literaturforum eine Vorschau gelesen, weil mich der Titel interessierte, aber das Buch nicht auf die Wunschliste gesetzt, weil ich Krimis nicht so mag. Was ich mich aber gefragt habe: Weshalb lässt ein französischer Autor seinen Roman in den USA spielen? Bei Amazon steht als Auszug aus einer Kritik « »Exzellent gemachte Spannungsliteratur, ein Pageturner à l’américaine.«, derFreitag, 21.11.2013 ». Warum?

Ich bin mir nicht sicher, dass ich deine Frage verstehe. (bzw was dahinter steckt) Muss ein frz Autor unbedingt seine Geschichten in Frankreich spielen lassen ?

Und ganz nebenbei: Joël Dicker ist Schweizer. :wink:

Ah, das erklärt ALLES. :smiley: Nein, natürlich nicht. Es ändert nicht meine Idee.

Muss er nicht, aber es erinnert mich eher an Trivialliteratur. Das hier aber klingt wie ein guter, anspruchsvoller Roman.
Ich dachte, der Autor könnte irgendwelche Bezüge zu den USA haben, das würde es erklären. Ansonsten aber sehe ich keinen Grund, nicht die Heimat als Handlungsort zu nehmen, denn die kennt man, seine Kultur und das Handeln der Menschen. Zum Schreiben gehört viel das Beobachten und das passiert nunmal in der eigenen Umgebung und das Ergebnis lässt sich nicht einfach mir nichts dir nichts in ein anderes Land verpflanzen.

Avonlea schreibt

Ich für mein Teil denke, die Stärke eines Schriftstellers ist hauptsächlich sein erzählerischen Schreibstil, wenn er auch nicht die Wahrheit eines Landes beschreibt. Wie eine expressionistische Gemälde nicht erforderlich die Wirklichkeit nachbildet, ist ein Romanautor weder ein Historiker, noch ein Journalist, noch eine Reiseberater. Da ich dieses Buch nicht gelesen habe, bin ich zweifellos die falsche Person um ihre Meinung darüber zu ausdrücken. Deswegen möchte ich nur auf Avonleas interessante Bemerkung antworten.
Diese Frage erinnert mich an die meisten Romane von Jules Vernes. Obgleich dieser Schriftsteller weltberühmte Romane wie „Die Leiden eines Chinesen in China“ oder „der Kurier des Zaren“ usw. schrieb, hatte er niemals diese Länder besichtigt.
Zwar ist es viel günstiger und üblicher für einen derzeitigen Schriftsteller, durch die ganze Welt zu reisen, allerdings ist es auch gleichzeitig viel einfacher geworden, durch die neuen Informationstechnologien, Auskünfte zu sammeln, ohne von seinem Stuhl sich auszusehen .
Außerdem denke ich, in diesem Fall, bezieht sich der Ausdruck " Pageturner à l’américaine" auf die Schreibart Joël Dickers, und betrifft nicht den Handlungsort.
Auf jeden Fall finde ich dieser Gesprächsfaden sehr konstruktiv.

Sehe ich auch so.Gutes Beispiel für Frankreich: Patrick Süskinds « Das Parfüm ».

Ja, wenn man eine naturalistische Methode zum Schreiben anwendet, wie Zola. Aber Dicker hat nicht den Anspruch, einen Roman à la Zola zu schreiben, glaube ich. Außerdem handelt es sich im Buch um eine fiktive Stadt. Es existieren fast 30 Aurora in den USA, aber keine im New Hampshire, wo die Handlung stattfindet. Also geographisch-urbanistische Beobachtung- und Forschungsarbeiten waren nicht notwendig.
Was Menschen und Mentalitäten betrifft… es wurden sicher hunderte Romane geschrieben, Filme und TV-Serien gedreht, die eine ähnliche soziale Umgebung schildern. Und in Europa ist es heutzutage wirklicht nicht schwer, Zugang zur amerikanischen Kulturproduktion zu haben, um Inspiration zu finden… :wink: