Wird die OIF immer politischer ?

Die Organisation internationale de la Francophonie wurde 1970 gegründet und vereint Länder und Regionen der Welt, in denen Französisch als Amtsprache fungiert oder eine besondere Rolle spielt. Die Organisation ist eher ruhig, neutral, manche sagen sogar unauffällig, weil sie sich nicht wirklich um Politik kümmert. Sie bleibt vorwiegend in den Bereichen der Sprache, Kultur, Ausbildung, Forschung und Entwicklungshilfe tätig. Und wie könnte sie in die Politik der einzelnen Staaten einmischen ? Die meisten Mitgliedstaaten sind ja nicht gerade für ihren Respekt der Demokratie und Menschenrechte bekannt…

Seit der 1990er Jahre wird die OIF aber immer mehr aus politischen Gründen von einzelnen Staaten für eigene Zwecke benutzt… was immer wieder zu Kritiken führt.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks haben immer mehr Staaten aus Mittel- und Osteuropa Anschluss zu dem « Westen » gesucht, und in der OIF eine erste Etappe in der diplomatischen Integration im Westen gesehen. Rumänien und Bulgarien (1993), Moldawien (1995), Polen (1997), Albanien, Litauen, Tschechien, Slowenien (1999), die Slowakei (2002), Kroatien, Georgien, Ungarn (2004) und später auch Serbien, die Ukraine, Lettland, Bosnien, Estland, Montenegro und Kosovo sind beigetreten, meistens als Beobachter, obwohl in vielen von diesen Ländern kaum jemand französisch spricht.

Der Beitritt von den arabischen Emiraten (2010) und Qatar (2012) als assoziierte Mitglieder (also die Vorstufe zur vollwertigen Mitgliedschaft) wurde auch kritisiert, nicht nur weil dort auch kein Mensch französisch spricht, sondern auch, weil ihre Werte nicht gerade den Werten der Frankophonie entsprechen. Es handle sich eigentlich nur um ein kleines Dankeschön an Länder, die viel Geld in Frankreich investieren. Durch eine Mitgliedschaft sichert sich Frankreich weiteren Investitionen dieser reichen Staaten, die im Gegenzug ihren internationalen Ruf aufpolieren können, indem sie an einer vorwiegend kulturellen Organisation neben Staaten wie Frankreich, Kanada oder der Schweiz teilnehmen. Saudi Arabien bewarb sich 2016 und 2018 aber vergeblich. Übertreiben muss man ja nicht.

Neu sind diesmal die Beitritte, als Beobachter, von Malta und Irland. Beide wurden 2018 im Club angenommen, obwohl dort wieder mal die französische Sprache kaum vertreten ist. Grund dafür : beide Länder sind stark an England abhängig. Mit dem Brexit befürchten sie eine Isolierung als Kollateralschaden. Durch die Frankophonie können sie neue Verbindungen knüpfen (wirtschaftlich besonders interessant ist Afrika).

Der OIF-Gipfel in Erevan in den letzten Tagen brachte auch eine unübliche (kleine) Krise ins Licht. Die Vorsitzende der OIF Mickaëlle Jean (aus Kanada) wurde nicht wiedergewählt. Gewählt wurde Louise Mushikiwabo, Aussenministerin Ruandas. Mushikiwabo bewarb sich als Kandidatin der Union Africaine, die gerade vom ruandesischen Präsident, Paul Kagame, geführt wird… Frankreich unterstützte diese Kandidatur, die aber nicht unumstritten war. Erstens gilt Kagame als autoritärer Diktator, auch im Vergleich zu den anderen nicht-gerade-demokratischen afrikanischen Präsidenten. Zweitens versucht Ruanda seit mittlerweile 15 Jahre, alles zu tun, um die französische Sprache in Ruanda zu beseitigen. Englisch wurde als Ko-Amtsprache eingeführt, und als Unterrichtssprache verpflichtet, zur Ersetzung des Französischen. Kagame spricht selber kein Französisch. Grund für die Förderung von Ruanda in der OIF ? Die Beziehungen zwischen Frankreich und Ruanda sind seit 1994 äusserst schlecht. Ruanda betrachtet nämlich Frankreich als Kompliz des Völkermords. Seitdem geraten beide Länder regelmässig in Krisen : zwischen 2006 und 2009 wurden die dipomatischen Beziehungen unterbrochen, seit 2015 gibt es wieder kein frz Botschafter in Kigali. Die Wahl der Ministerin Kagames hilft Macrons Afrikapolitik : enge bilaterale Beziehungen zu den afrikanischen Staaten, über die Frankophonie hinaus (und eine Normalisierung der Beziehungen zu Ruanda). Im Gegenzug gewinnt Ruanda bzw Kagame an internationale Ansehlichkeit und an Einfluss auf die Weltpolitik (Vorsitz der Union Africaine und der Frankophonie).

Et la langue française dans tout ça ? Ist doch egal, oder ? :wink:

über den Beitritt von nicht frankophonen Ländern.
Über die Wahl Mushikiwabos.

Interessant, was du da ausführst, Mislep. Ich kannte die Organisation nicht, aber so wie du ihr Handeln beschreibst, passt sie in die heutige Zeit. Es werden neue Möglichkeiten gesucht, um Verbünde zu organisieren und nach irgendeiner Form von Macht zu streben. Der Commonwealth hat ja vorgemacht, wie es funktioniert, selbst Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte nach der Loslösung von GB.