Dass ständig darüber diskutiert wird, was Korsisch ist, womit es verwandt ist usw. zeigt wie unsicher der Status dieser neu ausgebauten Sprache ist. Aus rein dialektologischer Sicht sind die korsischen Dialekte keine Sprache sondern eine Untergruppe der toskanischen Dialektgruppe (mit Ausnahme von Bonifacio, von den Genuesen spät gegründete und lange den nicht-Genuesen verbotene Stadt, also eine ligurische Sprachinsel). Karl der Grosse eroberte die Insel und liess sie von der Toskana aus verwalten: daher die Verbreitung der toskanischen Varietät durch Kontakte mit Beamten, Religiösen, Kaufleuten usw aus der Toskana. Da Korsika aber weit vom Zentrum dieser Dialektgruppe liegt (Florenz), kennzeichnet sich das Korsische durch archaische Merkmale, die man auch in süditalienischen Dialekten finden kann. Die lange Herrschaft Genuas brachte vor allem Einfluss im alltäglichen Wortschatz, daher teilweise auch Ähnlichkeiten mit den ligurischen Dialekten. Der sprachliche Einfluss Genuas hielt sich aber in Grenzen, weil Genua als Schriftsprache auch das prestigeträchtige Toskanische verwendete. Die starke Ähnlichkeit zum Toskanischen liess ein Sprachwissenschaftler schreiben (Durand, glaube ich), dass das Korsische zu den Dialekten gehört, die am nächsten vom Standarditalienischen stehen (das Toskanische wurde ja zur Basis für das Standarditalienische). Zur korsischen Dialektologie, siehe die Arbeiten von Dalbera-Stefanaggi.
Aus soziolinguistischer Sicht ist Korsisch im Laufe der letzten 100/150 Jahre eine Sprache geworden. Aus den unformellen, auf den mündlichen Bereich beschränkten Dialekten sind eine echte auch schriftlich in vielen Bereichen verwendete Sprache: Literatur, TV, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, amtliche Dokumente, Verwaltung, Schulen, universitäre Arbeiten usw. Auch wenn man von höchstens 150.000 Sprechern spricht. Der Erfolg dieses sprachlichen Ausbaus beruht lediglich auf der Aktivität einer kleinen Gruppe von Sprachwissenschaftlern (heute zB Marcellesi, Ottavi, Di Meglio, Comiti…). Die sind nicht nur in der Sprachwissenschaft tätig, sondern auch in der Literatur, oder in der Didaktik und können somit dafür sorgen, dass sich die korsische Sprache in den Schulen, an der Uni, in der Literatur verbreitet. Die Bevölkerung Korsikas trägt dazu nicht bei, denn laut eine Studie der Collectivité territoriale de Corse sprechen nur 3% der Familien Korsisch mit den Kindern. Für die breite Masse ist Korsisch nur ein quasi-Pflichtfach wie Mathe oder Blockflöte, etwas das man ausserhalb der Schule nie braucht. Heute wird diese Gruppe von Soziolinguisten von den Behörden unterstützt, denn die Autonomisten bzw Nationalisten haben auf der Insel langsam die Macht erobert. Wer nach Korsika fährt, wird wohl merken, dass die öffentlichen Behörden gern Korsisch verwenden (korsische Bahn, Schildern an öffentlichen Gebäuden, Anleitung zur Mülltrennung in Ajaccio oder zur Benützung des freien WLans usw.) Von Seite der Privatunternehmen ist Korsisch hingegen nur symbolisch (folkloristisch-touristisch) verwendet.
Der Wunsch nach einer Rückkehr nach Italien (wie oben behauptet) ist sprachlich gesehen nur von einer ganz kleinen Minderheit ausgedrückt worden (Durand, Marchetti). Politisch gesehen, gibt es das nicht, denn die politische, wirtschaftliche und vor allem kulturelle Verbindung zu Italien ist schon lange unterbrochen. (siehe symbolisch die fehlenden Flugverbindungen zu Italien). Die Unabhängigkeit wird auch nur von einer kleinen Minderheit gewünscht. Die Partei, die für die sofortige Unabhängigkeit steht, bekam bei der letzten Wahl Dezember 2017 nur 6,7% der Stimmen. Die Gewinner-koalition will in den nächsten 10 Jahren das Thema Unabhängigkeit nicht erwähnen.
[size=85]Gab es früher kein Klugscheisser-smiley mit Brillen oder so ? [/size]