Auf der Suche nach Dir - Greta Hansen (Deutschland)
Piper, 416 Seiten, September 2012
Ich hatte hier schon ihren Roman Eine Liebe in der Normandie vorgestellt, der mir sehr gut gefallen hatte. Aber dieses Buch hier, der direkte Vorgänger, war noch ein bisschen schöner. Wieder ist es ein historischer Roman und wieder geht es auch eher um Geschichte als um DIE Geschichte. Dennoch hier in Kurzform: Suzanne Goddard wohnt im südfranzösischen Fayence, wir befinden uns am Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie wuchs ohne Mutter auf, nachdem diese eine Affäre mit dem Verlobten ihrer Schwester hatte. Und bei genau dieser Schwester und ihrem Vater wächst sie auf. Als sie fertig mit der Schule ist und anders als die meisten Mädchen um sie herum nicht sofort auf der Suche nach einem Ehemann ist, betritt sie einmal das Fotostudio des alten Monsieur Félix. Sie ist nicht nur fasziniert von der noch jungen Fotokunst, sondern auch talentiert und geht schließlich bei ihm in die Lehre. Auf einer ihrer Fototouren fährt sie nach Fréjus und trifft dort auf den jungen Journalisen Robert. Natürlich werden die beiden ein Paar und wollen heiraten. Aber vorher muss Robert noch einen Auftrag abarbeiten: Der Bericht von der Jungfernfahrt der Titanic. Es kommt wie es kommen muss, das Schiff sinkt und Suzanne hält Robert für tot. Sie zieht nach Paris, das zu jener Zeit die Welthauptstadt ist und Zentrum der Moderne. Die Geschichte geht noch viel weiter und dabei geht es auch gar nicht nur um Suzanne und Robert. Das Spannende ist hier, wie Suzanne und die vielen weiteren Figuren sich durch die Zeit bewegen. Die Atmosphäre ist toll, man wähnt sich vor Ort.
Diesem Buch merkt man die Liebe der Autorin zu historischem Stoff an als auch zu Landschaften, Farben, Bildern und Kultur. Alles wirkt gut recherchiert und man glaubt beim Lesen, tatsächlich etwas über die Geschichte Frankreichs des beginnenden 20. Jahrhunderts zu lernen. Über den Höhepunkt und das Ende der Belle Époque, das Wiedererwachen in den wilden 20ern, wie Frankreich sich ausstreckt in den Maghreb und auch wie sich die Provinz nur ganz langsam der Moderne öffnet.
Mitten drin in allem sind natürlich die Figuren. Ein strahlendes Paar, wie in jedem Unterhaltungsroman, aber auch viele, ziemlich viele spannende und gut gezeichnete Nebendarsteller, die durch die Geschichte wuseln und sie lebhaft machen. Eine Schwierigkeit des Buches und gleichzeitig etwas, was es interessant und unvorhersehbar macht, liegt aber genau hier: Die Sympathie des Lesers liegt nicht immer bei dem großen und tragisch getrennten Liebespaar. Die Geschichte bietet so viele Wendungen und zu keinem Zeitpunkt lenkt die Autorin den Leser so, dass man darauf hinfiebert, bis Suzanne und Robert sich endlich wiedersehen. Im Gegenteil. Das passiert überraschend und irgendwie unpassend. Vielleicht wie im richtigen Leben auch.
Es ist ein schönes, langsames Buch, das man genussvoll lesen muss, an dessen Details man sich erfreuen muss, die nicht immer auch Einfluss auf die Geschichte haben, sondern oft auch nur die große Geschichte der Zeit illustrieren sollen. Den klangvollen und nie willkürlichen Namen auch der winzigsten Nebenfigur zum Beispiel. Man sieht alles durch die Linse der Fotografin, die Suzanne ist und kann sich richtig fallen lassen in die Vergangenheit. Über weite Strecken gelingt auch der Spagat der richtigen Dosis zwischen Zeitraffung und Zeitlupe, doch gegen Ende gerät dies leider in ein Misssverhältnis zu Lasten der Zeitlupe und damit auch zu den Gefühlen aller Beteiligten und des Mitgefühls des Lesers.
Dennoch ist dies hier absolut ein Roman, dem man kleine Schwächen nur allzu gerne verzeiht um irgendwann erneut einzutauchen in ein spannendes Stück französischer Geschichte, Landschaft und Kultur. Viel besser kann ein Roman dieses Genres nicht sein. Neun von zehn Punkten.