Wolfgang Koeppen - Reisen nach Frankreich

Ich möchte kurz ein schönes kleines Buch vorstellen, das nicht aus Frankreich kommt, sondern von Frankreich handelt: Wolfgang Koeppen, Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur und sowas wie Protegé von Marcel Reich-Ranicky, bereiste das Land in den 1950er Jahren und zeichnet in dem Buch, das 1961 erschien, ein eindrucksvoll klares Bild unseres Nachbarlandes, und das in schriftstellerischer Qualität. Er selber sah seine Reiseberichte nur als „Kulissenbeschreibung“ für künftige Romane, doch auch so viele Jahrzehnte nach dem Erscheinen findet man so vieles von dem wieder, was er schon damals sah.

Ich möchte hier häppchenweise ein paar der besten Sätze zusammenstellen und euch schmackhaft machen, dieses Buch mal wieder oder erstmals zur Hand zu nehmen. In der ersten Auflage des Suhrkamp-Verlags ist es für einen Appel und ein Ei antiquarisch erhältlich, z.B. bei Booklooker.

Koeppen bereiste Frankreich nur kurz nach dem Krieg, als die Gräben zwischen den Deutschen und den Franzosen noch groß waren, in einer Zeit vor dem Elyseevertrag und lange vor dem wirtschaftlichen Aufschwung, der auch den Provinzen zugute kam. Er beginnt seine Reise im Norden:

In Strasbourg begegnet er provinzieller Stille und sommerlicher Trägheit und einem Phänomen, dem man noch heute in Frankreich begegnet: Dem Nutzen von Pracht- und Dorfplätzen als Parkplatz:

Wie sehr das Elasass kurz nach dem Krieg an seiner eigenen Identität festhielt. fasst er in einem weiteren schönen Satz zusammen:

Riquewihr ist heute ein Freiluftmuseum, das Disneyland unter den Winzerdörfern. Schon damals deutete sich das an. Treffend schreibt er:

Über das Rhône-Tal gelangte Koeppen nach Südfrankreich, nach Lyon, Avignon und in das Herz der Provence, wo er in Aix auch auf die Tour de France traf:

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Es geht in der Folge weiter an die Côte d’Azur und dann wieder hoch in den Norden, Lothringen, Flandern, Schauplätze der Kriege. Normandie, Loire, runter nach Toulouse. Den krönenden Abschluss findet die Reise (oder die Reisen wohl eher) natürlich in Paris. Da das Buch von guten Beobachtungen wimmelt, überlasse ich die Suche nach den besten euch.

Mir hat das Buch gut gefallen, man kann sich forttreiben lassen von Landschafts- und Gesellschaftsbeschreibungen, ohne dass jedoch allzu viele Menschen darin vorkommen und Begegnungen mit ihnen schon gar nicht. Koeppen bleibt der stille Beobachter und erfüllt damit das, was er sich selber von seinen Reisebüchern versprochen hat: Kulissenbeschreibung.

Links
Eintrag in der deutschen Wikipedia zu Wolfang Koeppen
Kurze Rezension im Spiegel von 1961
Zitate aus der Ausgabe von Suhrkamp, Frankfurt/M. 1979.

Danke, das hört sich wirklich sehr interessant an.