Pierre Loti - Islandfischer (1886)

La mer, l’amour, la mort - Das sind die Themen, mit denen sich Pierre Loti in seinen Werken beschäftigt. L’amour, das ist ein Evergreen, La mort spätestens seit dem berühmten Memento Mori ein paar Jahrhunderte vorher auch nachvollziehbar. Lotis schönstes Werk jedoch wird dominiert von La mer, jenem Ungetüm, dem sich die Gesellschaft erst in der gerade beginnenden Belle Epoque freundlich zugewandt hatte: Pêcheur d’Islande (Islandfischer) erschien 1886 und erzählt die Geschichte der bretonischen Fischer an der Nordküste der Halbinsel.

Yann und Sylvestre sind zwei junge, stattliche Männer, die wie ihre Väter und deren Väter ihr Brot mit der Fischerei verdienen, jedoch nicht in heimischen Gewässern, sondern weit draußen vor der Küste Islands, wo es Dorsch zu fangen gibt. Diese Hochseefischerei mit den damaligen Mitteln war hochriskant und forderte regelmäßig Opfer. Nicht nur das, denn auch die historischen Islandfischer der Bretagne waren die Hälfte des Jahres vor Island unterwegs und hinterließen so eine Gesellschaft der Frauen und Alten - und eine Horde vaterloser Kinder.
Die junge Gaud sticht aus der Gesellschaft des Dorfes heraus, denn sie war eine zeitlang in Paris und hat Eleganz mitgebracht, die gleichermaßen anziehend und distanzierend auf die hiesigen Herren der Schöpfung wirkt. Ausgerechnet verliebt sich Gaud in den stolzen und stillen Yann, der damit prahlt, nur mit dem Meer verheiratet zu sein. Man wünscht sich fast, er hätte sich daran gehalten, denn als er tatsächlich Gaud heiratet, zieht er sich die tödliche Eifersucht des Meeres zu…

Eine simple Geschichte, die vor allem durch die Atmosphäre der Bretagne besticht, die Loti einfangen wollte. So steht das Land im Mittelpunkt und vor allem auch das Meer. Man sieht, riecht, hört, spürt den Wind. Pierre Loti ist Frankreichs bekanntester Vertreter des Exotismus (d.h. bevor Le Clézio auf der Bildfläche erschien, sehr viel später), aber dieses Buch widmet er einer der Heimaten der Franzosen. Und doch ist nachvollziehbar, wie exotisch und fremd und auf geheimnisvolle Weise anziehend diese Bretagne auf seine Pariser Leser gewirkt haben muss.

Pierre Loti - Islandfischer, dtv 1998, S. 135.

Ich finde das Buch einen gelungenen Versuch, die Essenz - oder sagen wir besser eine Essenz - eines Landstrichs einzufangen. Denn auch wenn derlei immer Verallgemeinerungen beinhaltet, so steckt auch in einer solchen immer viel Wahrheit und nicht umsonst scheint dieser Roman herauszuragen aus allem, was über die Bretagne in Romane gegossen worden ist.

Pierre Loti (1850-1923) hieß eigentlich Julien Viaud und war Marineoffizier. In seinen Romanen verarbeitete er seine Weltreisen und zeigte auch seine Liebe zum Baskenland, wo er auch lebte.
Auch wenn seine Islandfischer literarisch nicht herausragend sein mögen, so hat er aus meiner Sicht damit doch einen Meilenstein geschaffen für den Regionalismus, dem auch z.B. Jean Giono (Provence) oder Eugène Le Roy (Périgord) zuzuordnen sind. Auch Louis Hémons einzig bedeutendes Werk, Maria Chapdelaine über Québec riecht verdächtig nach den Islandfischern.

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:merci: für Deine „Rezension“ dieses herrlichen Buches, da der Winter noch lang sein wird, könnte man es ja mal wieder zur Hand nehmen und einen Kurzurlaub in die Bretagne und ins Meer unternehmen.

Du hast es gelesen? :clap:
Ich habe das Gefühl fast nicht mehr hinfahren zu müssen, weil ich beim Lesen schon alles vor dem geistigen Auge gesehen habe.

Ja, natürlich habe ich es schon gelesen und gleich danach noch « das Meer » von Bernhard Kellermann. Die beiden Bücher sind ja quasi « Pflichtlektüre » wenn man a)die Bretagne liebt; b)das Meer und seine Bewohner(hier zähle ich auch Seeleute dazu) und/oder c)sich für allerlei Literatur interessiert… :sunglasses: , wobei mein « Fetisch » hier klar rund ums Meer zu finden ist.