Karfreitag und das Konkordat

Deutsche, die am Karfreitag oder am 2. Weihnachtstag ins Elsass und ins lothringische Departement Moselle fahren, werden dort genauso geschlossene Geschäfte vorfinden wie in Deutschland und sich deswegen auch keine weiteren Fragen stellen, weil diese Tage gesetzliche (religiöse) Feiertage sind. Ganz anders sieht es im Rest Frankreichs aus: business as usual. Frankreich ist ein laizistischer Staat und das in der Verfassung festgeschriebene laizistische Prinzip entspricht »der französischen Auffassung von der Neutralität des Staats in religiösen Fragen«. Warum die Sonderrolle des Elsass (und Moselle) in diesem Zusammenhang u.a. bei bestimmten religiösen Feiertagen ?
Das Sonderrecht in den beiden Departements des Elsass und im Departement Moselle geht auf ein Konkordat aus dem Jahr 1802 zurück, also auf die napoleonische Zeit. Als die französische Republik 1905 Staat und Kirche trennte und das napoleonische Gesetz abschaffte, waren das Elsass und Lothringen jedoch Teil des deutschen Kaiserreichs - das Konkordat galt dort weiter, und das blieb auch nach 1918 und 1945 so, als die Gebiete wieder zu Frankreich kamen. Es gab immer wieder Versuche, die Vereinbarungen des Konkordats abzuschaffen, aber es ist nie dazu gekommen.
Ich finde, regionale Besonderheiten wie auch diese, die eine lange Tradition haben, sollten, zumal wenn sie von den Einheimischen zumindest geschätzt werden, in der heutigen Zeit mit der Tendenz zu mehr und mehr kultureller, gesellschaftlicher und gesetzlicher « Gleichschaltung » erhalten bleiben.

sonntagsblatt-bayern.de/news … _27_01.htm

Ok. Aber dann sollen die Elsässer-Moseller selber dafür zahlen. Das ist schockierend, dass ganz Frankreich für die Privilegen von 3 Départements zahlen muss.
Noch eine inakzetable Ungerechtigkeit: der Islam und die Religionen, die sich nach dem 2. Weltkrieg in Frankreich verbreitet haben, sind im Konkordat nicht einbegriffen.
Kurz gesagt: ungerecht und diskriminierend. Aber kein Politiker wir je den Mut haben, das Konkordat abzuschaffen. Schade!

Mensch!!!
Jakobinismus nicht tot ! :mrgreen:

Ich bin gegen die Privilegen, vor allem wenn sie auf Kosten der Anderen entstehen. Einerseits beschwerdet man sich, es gäbe nicht genug Krippenplätze, kein Geld um nötiges Personal in den Krankenhäuser zu bezahlen, es wären viele services publiques abgeschafft, und andererseits gibt man 50 mio Euro jährlich für die Privilegen 4 Religionen (darunter die schockierend reiche katholische Kirche). Einerseits beschwerdet man sich, dass der Islam sich in der Republik nicht genug integriert, aber andererseits schliesst man ihn aus dem Konkordat aus.
Aber das alles ist nur Jakobinismus. Das darf man nicht sagen, das ist ganz ganz schlecht. Also weiter so! :smiley:

Ich kann verstehen, dass die Elsässer-Mosellaner auf ihre Privilegien bestehen (wer nicht ?) aber irgendwann muss man auch zugeben, dass die Zeit vergangen ist, und dass Elsass-Moselle 2015 nichts mehr mit Elsass-Moselle 1945 zu tun hat. Ganz ehrlich: wieviele Leute nützen die zusätzlichen Feiertage für einen Kirchenbesuch zB? Wenn sie eine grasse mat’ wollen, oder shoppen gehen, sollen sie sich ein RTT nehmen… so wie alle andere Franzosen. :wink:

Wieso Privilegien ? Im Elsass wird eine Kirchensteuer erhoben.

@ mislep:
Ich kann Deine Einstellung sehr gut verstehen , zumal ich vor dreißig Jahren genauso wie Du reagiert habe.
Seitdem hab ich aber das Glück gehabt, dank meinem Umgang mit Bretonen und später mit Elsässern , vieles zu verstehen.
Politiker müssen die GESCHICHTE der ehemaligen Provinzen in Betracht ziehen. Deshalb hab ich auf Deine Reaktion von Jakobinismus gesprochen.
Also warum sollten Elsässer und Mosellaner , die Jahrzehnte lang zwischen Frankreich und Deutschland besonders hin- und hergerissen wurden , auf Vorteile ( Du nennst sie Privilegen) verzichten , die sie von den beiden Nationen gerbt haben ? Ich würde eher von Entschädigungen reden . :wink:

Darüber finde ich im Internet nichts. Die Gemeinden müssen mitmachen, indem sie zB Dienstwohnungen zu Verfügung stellen sollen. Ob das durch ein Kirchensteuer finanziert wird oder durch die üblichen Lokalsteuer ? Die Gemeindenbeteiligung wird aber nicht miteinbegriffen, wenn man sagt, dass das Konkordat dem Staat jährlich zw 55 und 60 mio euro kostet.

Ein Bischof in Elsass bzw Moselle bekommt vom Staat monatlich mehr als ein Lehrer agrégé 11. échelon. Ein Bischof woanders bekommt vom Staat gar nichts. Ein Imam auch in Elsass muss auf staatliche Unterstützung verzichten. Die Elsässer haben 2 Feiertage mehr als die anderen Franzosen. Sind da nicht einige privilegierter als andere ?

@michelmau: dein Argument der Geschichte ist meiner Meinung nach sehr schwach. Todesstrafe und Folter waren auch aus langer juristischer Geschichte geerbt… hätte man sie behalten sollen ? Zeiten ändern sich, und das Elsass auch, hoffentlich!
Mir geht es nicht darum, dass ich dem Elsass irgendeine Besonderheit wegnehmen muss und alle Regionen Frankreichs standardisieren würde. Es geht nur ums Prinzip (und egal ob Jakobinismus oder nicht!). Die Franzosen bezahlen Lohn und Pension für ein Paar Bischöfe/Priester/Rabbi im Osten und das ist ungerecht und gegen die Laizität.

Mehr über das Konkordat

… Im Zuge der Französischen und der Amerikanischen Revolution wurde in Frankreich und in den USA der Kirchenzehnt abgeschafft. Die Kirchen erhalten eine staatliche Förderung, sind im Wesentlichen jedoch auf Spenden angewiesen. Gemäß dem Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat (Frankreich) müssen sich Kirchen in Frankreich zum großen Teil selbst finanzieren. Nur in Elsaß-Lothringen, also den drei Departements, die als Reichsland Elsaß-Lothringen bis 1918 zum Deutschen Reich gehörten, wird Kirchensteuer erhoben. Pfarrer erhalten in etwa das Gehalt eines Lehrers, wie es der Code Napoleon bestimmt hatte. (aus Wikipedia: Kirchensteuer)

de.wikipedia.org/wiki/Kirchenste … ge_Staaten

seufz, dein Link ,Woolito,wird als nicht existenziell bei mir angezeigt.

:crazy:

Dieses „Argument“ find ich besonders „schwach“.
Bon , ich laß Dich mit Deinen festen Überzeugungen in Ruhe. Keine Lust zum Polemisieren. :smiley:

Ja, komisch, wenn man den Link hier bei BF anklickt, funktioniert es nicht. Gehe mal auf google, unter den Stichwörtern „Kirchensteuer Elsass“, kommt dann gleich als erstes und geht auch richtig auf (Kirchensteuer sonstige Staaten).

Komischerweise sagt das französischsprachige Internet gar nichts über ein Kirchensteuer im Elsass. Auch nicht, wenn man nach der Finanzierung des Konkordats sucht…

Ausserdem ist die Quelle Wikipedias falsch angegeben. Im Dokument von Jens Petersen wird keine Kirchensteuer im Elsass erwähnt.

« Nur in den drei östlichen Départements Niederrhein, Oberrhein und Mosel gelten Sonderbestimmungen. Dort brachte es die geschichtliche Entwicklung durch Napoleon mit sich, dass die Kirchen vom Staat aus dem allgemeinen Steuertopf finanziert werden. Im übrigen Frankreich usw. » (seite 46)

Anscheinend hat Wiki „finanziert aus dem allgemeinen Steuertopf“ mit einer „elsässischen Kirchensteuer“ gleichgesetzt. Auf meinem Gehaltszettel hier befindet sich allerdings kein Sonderposten „Concordat Alsace-Moselle“, dafür viele andere Dinge, von denen ich bisher noch nicht weiß, was sie bedeuten. Vielleicht besser so. :smiley:
Meine Nachbarin (Marseillerin) ist übrigens engagierte Katholikin und findet das Konkordat super und die Erhaltung des Straßburger Münsters auch. :mrgreen:
Für die Departements Bas-Rhin und Haut-Rhin kann man übrigens nicht die deutschen Bezeichnungen Niederrhein und Oberrhein benutzen. Die sind reserviert für den Rhein zwischen Düsseldorf und der holländischen Grenze sowie für den zwischen Basel und Karlsruhe.

Als Steuerzahler im Elsaß kann icht bestätigen , daß es hier keine Kirchensteuer gibt.

Genau.
Französischsprachler sagen " Bas-Rhin" und „Haut-Rhin“ , Elsässischsprachler reden von " Unterland " und „Owerland“.
Ich lebe also im Unterland.

Sicher, Du hast recht. Aber ALLE Franzosen die Steuern zahlen, bezahlen die Gehälter der Pfarrer, Bischöfe, Religionslehrer usw. im Elsass und dem Moselle-Département und unterhalten die Gebäude. Im Rest Frankreichs werden die Gehälter mit dem „Denier du clergé“ d.h. Spenden der Gläubigen, vom Bischof und anderen kirchlichen Instanzen bezahlt und entsprechen meistens dem Mindestlohn…

In Deutschland kann jeder verzichten Kirchensteuer zu zahlen, es muss nur eine Erklärung abgegeben werden. Dass es dann weder Taufen, kirchliche Heiraten oder Beisetzungen mehr gibt ist dann ja logisch. Zurück gibt es nicht mehr wenn der Sensemann sich nähert. :bad:

Allen Christen im Forum wünsche ich ein schönes Osterfest. Alle anderen könnten dann ja morgen arbeiten gehen. Oder? Und an Weihnachten, Christi Himmelfahrt, Pfingsten usw usw. :chut: :chut: :chut: