Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind in Deutschland schon lange zwei Zauberwörter in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Aber wie sieht es in Frankreich aus? Beschäftigt man sich auch dort nicht nur mit der Frage, wie wir in 30 Jahren leben wollen, sondern auch wie wir dann leben können? Und wie gelingt es uns, knappe Ressourcen sinnvoll zu nutzen?

Ein Allheilmittel für die Herausforderungen, die nicht nur bestehen werden, sondern schon jetzt bestehen, gibt es nicht, weil noch nicht einmal klar ist, welche Symptome es eigentlich gibt. Trotzdem bewegen sich vor allem Einzelne und machen mit Projekten auf sich aufmerksam, bei denen man sich die Frage stellen kann, ob das nicht auch was für die Masse wäre, um das Leben in der Zukunft etwas weniger verschwenderisch zu gestalten.

Bei Frankreich hatte man lange den Eindruck, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz keine besonders großen Themen sind. Ich habe erst seit den 2000ern bewusst einen langsamen Wandel mitbekommen. Zum Beispiel an den fehlenden gratis Plastiktüten im Supermarkt und dass längst nicht mehr so viele Colabecher am viel besuchten Strand im Meer schwimmen wie in den 90ern. Wird es also etwas mit dem Bewusstsein für seine Umgebung, als erstem Schritt für eine Lösung für alle? Sieht so aus, oder? Oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ich habe gerade in einem Merian-Heft über die Provence von 1994 geblättert und bin auf einen Artikel über die bedrohte Camargue gestoßen, in dem die Befürchtungen laut wurden, dass ein Naturpardies auf dem besten Wege zur Zerstörung sei. Müllberge würden sich stapeln und niemanden kümmere es, dass sich das Zeug bei Wind in alle Richtungen verteile. Wie ist es heute?

2007 machte die damalige Sarkozy-Regierung Schlagzeilen mit der « Grenelle Environnement » auf sich aufmerksam, ein Austausch für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Die Ziele klangen gut: Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, Förderung von erneuerbaren Energien, Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft, Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und schließlich auch der Eingang von Themen dieser Art in die Schulbildung. Große Ankündigungen, aber was davon wird umgesetzt?

Fakt ist: Das Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist auf den Tisch gekommen in Frankreich. Ich würde diesen Thread gerne nutzen, um gemeinsam nach und nach Themen zusammen zu tragen, die sich unter diesem Titel einordnen und in Frankreich und Europa aufhorchen lassen. Es gibt viele gute Ideen, aber auch weniger gute Umsetzungen. Parlons-en. :wink:

Ein paar interessante Links
Lexikon der Nachhaltigkeit: Frankreich
Sammlung auf Frankreich Kontakte zur Ökologie
Welt.de: Frankreich will Einwegtüten in Geschäften verbieten

Hier ein paar Themen aus dem Forum, über die wir schon gesprochen haben:

Ein Pfandsystem für Frankreich?
Grenoble: Bäume statt Werbung
Einführung von Umweltzonen in Frankreich
Beim Einkauf auf CO2 achten
Elektrisch ins Grüne
Atomenergie vs. regenerative Energien in Frankreich
E10 Biosprit
AOX: En Allemagne, l’écologie a le vent en poupe

Papierhaus in der Bretagne
In meiner Regionalzeitung gibt es auf der letzten Seite eine Rubrik « Auch das noch… » mit kuriosen Nachrichten. Heute morgen ging es um ein Ferienhaus aus Pappe auf der bretonischen Belle-Île. Natürlich sind die Nachrichten in dieser Rubrik so geschrieben, dass der Leser zwangsläufig mit den Augen rollt, den Kopf schüttelt und sich gut unterhalten fühlt in den zehn Sekunden, in denen er sich mit dem Thema beschäftigt. Aber das mit dem Papierhaus klingt gar nicht so doof, wenn man ein bisschen mehr darüber liest.

2013 begann das Projekt von Nicole und Alain Lenoble. Ein Jahr lang wurde zusammen mit dem Unternehmen Tera Nova dann gebaut: Statt einer Wellblechhütte steht nun ein schmuckes Haus aus Wellpappe auf der Insel. Das Papier ist recycled, isoliert perfekt und hat bisher rund 30 bretonischen Stürmen standgehalten. Das stabilste Kartenhaus der Welt? Und dabei ziemlich günstig: 1.400€ kostete der Quadratmeter. Ein Modell für die Zukunft?

:arrow_right: Artikel: Un vent positif souffle sur la maison en carton
:arrow_right: Ferienwohnung auf der Tourismusseite der Belle-Île

Und noch ein interessanter aber traditioneller Baustoff könnte in Frankreich was für die Zukunft sein: 2012 schuf Frankreich den ersten Staatspreis für Lehmarchitektur. Gerade im Norden wurde bis in die 1950er viel mit Lehm gebaut. Warum nicht wieder?
:arrow_right: Kurzer Artikel zum Lehmbaupreis in Frankreich

Was die Camargue angeht: Wenn du Zeit hast zu lesen → parc-camargue.fr/index.php?pagendx=app_154

Meine persönliche Erfahrung ist, dass nach und nach z.B. der Müll sortiert wird, zumindest Glas, Plastik, Papier, Dosen werden sortiert, ich erwarte eigentlich fast jedes Jahr eine neue Tonne zu finden. :wink: An den öffentlichen Containern kann man sogar die Flaschendeckel gesondert wegwerfen. Es gibt viele Häuser mit Sonnenkollektoren und um die Landschaft vor den Touristen zu schützen werden bzw. wurden an verschiedenen Stellen Spazierwege aus Holz angelegt.
Hier z.B. am Tour Carbonnière.

Neu angelegt wurde auch die „Via Rhona“

Ich habe gelesen, glaube im Midi-Libre, dass dieses Jahr in Grau du Roi auch wieder Dünen aufgeschüttet wurden.

Was mich im Gegenzug immer wieder stört, man darf nicht mit Gefahrgütern nicht durch den Nationalpark fahren, aber wenn ein Auto verunglückt, dann liegt es erst mal tagelang im Graben…

Und was jeder einzelne so tut vermag ich natürlich nicht zu sagen. Für mich fängt Umwelschutz schon seit jeher im Kleinen an. Ich denke wer selber nicht darauf achtet, kann auch nicht dazu gezwungen werden… Insofern müssen wir alle darauf achten die Werte auch an unsere Kinder weiterzugeben…

Man hat inzwischen auch erkannt, dass der Diesel- Motor aus Umweltgründen der falsche Motor ist. Aber dieses zu ändern, erfordert sicher noch viele Worte. Vielleicht schafft man das am Schnellsten mit dem Dreh an der Steuerschraube.

Keine guten Nachrichten bringt eine neue Studie, die danach gefragt hat, wie sehr sich die Franzosen für Fragen der Umweltprobleme interessieren. Mehr als ein Fünftel gibt nun an, sich nicht oder nicht mehr für derlei zu interessieren, im Jahr zuvor seien es nur 15% gewesen. Dem gegenüber stehen aber auch 19,6% Franzosen, die sich sehr besorgt zeigen. Zunehmend meint man im Land auch, es lohne sich nur, sich mit Umweltschutz zu beschäftigen, wenn es Geld einbringt. Immerhin 41,2% wären aber bereit, persönliche Einschränkungen hinzunehmen, wenn es dem Umweltschutz diene. 2010 waren das aber auch noch fast 57%.

Vielleicht passiert gerade nicht so viel, was man auf den Klimawandel und menschgemachte Probleme mit der Umwelt zurückführen kann? Sieht so aus, als reiche es den meisten, dass die Gratis-Plastiktüten aus den Supermärkten verbannt wurden. :neutral_face:

:arrow_right: RTL: Environnement : les Français de moins en moins concernés, selon un sondage

Eine schöne und simple Idee haben die Reisbauern in der Camargue, um das umstrittene Glyphosat zu vermeiden: Sie setzen Enten ein, die die Insekten wegfressen. Wie erschreckend einfach…
:arrow_right: lefigaro.fr/conso/2018/01/03 … zieres.php

Na und man bekommt noch Ente a l’Orange dabei heraus, das ist mal Nachhaltig…

Nicht zu vernachlässigen ist dabei auch der Reis. Quasi ein ganzes Menü von einem Acker. Wenn die Hipster in Berlin das wüssten, die würden komplett ausflippen. :smiley:

Na dann hoffen wir mal, dass die Enten noch genügend Reis für uns übrig lassen… :laughing: Sehr empfehlen kann ich euch übrigens de roten Reis aus der Camargue… :wouaw:

Noch eine interessante Idee, diesmal aus dem Elsass: Zur Beseitigung von Biomüll werden Hühner eingesetzt. Interessenten können bei den Abfallbetrieben der Stadt auf Wunsch zwei Hühner bestellen. Die Aktion läuft schon seit 2015, insgesamt haben schon 552 Haushalte Hühner bekommen. Im Topf landen dürfen sie aber nicht und einen Garten muss man - logischerweise - auch haben.
:arrow_right: Artikel bei France Bleu
:arrow_right: Artikel auf deutsch bei der Huffington Post

Ich hasse Hühner!! :laughing: Aber die Idee finde ich grundsätzlich gut. :slight_smile:

Ich weiß gar nicht, was du gegen Hühner hast. Die schmecken doch super. :slight_smile:
Leider haben die Abfallbetriebe das Essen verboten, was vollkommen unverständlich ist.

Als ich klein war hatten unsere Vermieter Hühner und auf der Wiese hat meine Mama mich dann immer zum spielen „eingesperrt“ und den Stall fand ich immer auch ekelig… Aber ja, sie schmecken lecker… :bad: