Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen ...

Klasse Bilder und super nett geschriebener Reisebericht, danke dir dafür :wink:

Ich will ja gar nicht alle schlechten Hotels und alle ungenießbaren Pommesbuden-Angebote kennen, mir reicht schon eine zuverlässige Empfehlung für ein gutes Hotel und ein oder zwei gute (lecker mit vernünftigem Preis-Leistungsverhältnis) Restaurants.
Wenn ich dann noch Tipps zur Staubeschäftigung passend zur Umgebung bekommen kann, habe ich doch alles was ich brauche :smiley:

Mal gucken, was sich machen lässt in den nächsten Jahren. Wie heißt es? Traue keinem unter 30? Ich muss also noch ein paar Jahre warten, bis man mich einen Reiseführer schreiben lässt. :wink:

[size=150]Notre Dame de Constance /Bormes[/size]

Wandertag Teil 2: Auf 324m Höhe liegt eine kleine Wallfahrtskirche und ihr gegenüber ein Aussichtspunkt, von dem aus man aus luftiger Höhe auf das Dorf, in die Umgebung und bis zur Montagne Sainte-Victoire in Aix-en-Provence schauen kann. Der Beginn des Weges liegt am Ende des Dorfes bei der sich in Privatbesitz befindlichen Burg. Am Abend zuvor hatten wir uns da schon den Startpunkt angeschaut. 35 Minuten laut Karte sollte der Aufstieg dauern. Die gut ausgebaute, asphaltierte Straße, die wir vorfanden, bestätigte unsere Schätzung, dass das locker zu machen sei und unser Morgen war verplant. Einzig ein Schild irritierte uns. Voie sans issue und Akupunktur? Was genau wächst da im Massif des Maures, von dem wir nichts wussten?

Doch es wäre zu schön gewesen, wenn die Straße zum Himmel, gewissermaßen ein Pilgerweg, wirklich asphaltiert gewesen wäre.
Am nächsten Tag brachen drei von uns zur Wanderung auf, davon zwei in Sandalen ohne Flasche und auch sonst ohne Plan und nur einer mit Rucksack, Wasserpipeline, Mini-Bonne-Maman-Gläser vom Frühstück für Bodenproben, Tüte und Pinsel für ausführliche Studien, Kamera zur Dokumentation, Anti-Schlangengift, Autan, Wechselklamotten und Rettungsseil. Wer das war, lass ich mal offen :mrgreen:. Unsere schöne Wanderstraße führte in die falsche Richtung. Der echte Wanderweg begann in einem Blumen- und Felsenbeet direkt daneben, gepflastert mit Hinkelsteinen, bewacht von Korkeichen, gekennzeichnet von weißroten Zeichen auf Steinen. „Wandern wir nach Polen?“, fragte es irgendwo hinter mir.

Schon nach zwei Minuten, in denen man sich gut an die Wanderbedingungen, den Untergrund, die Sonne und die Steigung gewöhnen konnte, war ich froh, dass es nicht die asphaltierte Straße gewesen war, die zum Ziel führte. Denn nur wenn man wirklich so in der Natur wandert, mitten im Massif des Maures mit seinem immer wieder faszinierend schimmernden Quarzgestein, zwischen diesen seltsam geformten Eichen hindurch und mit der gespannten Erwartung, was hinter der nächsten engen Kurve kommt, bekommt man ein Gespür für den Ort. Jeder Wanderweg fühlt sich so an, als wäre es etwas sehr Exklusives, ihn zu gehen. Auch wenn er angelegt wurde oder ausgelatscht ist, er ist immer der Zivilisation ein Stück entrückt und der Natur angenähert. Statt in dem Reich der Menschen, das sie sich der Umwelt abgetrotzt haben, ist man dann im Reich der Bäume und endeckt eine ganz andere Seite Südfrankreichs.

Natürlich ist das jetzt nicht der Superwanderweg gewesen, wo man sich durch das Unterholz kämpft und weiße Flecken auf der Landkarte entdeckt, aber für unsere Zwecke reichte es. Hin und wieder kommt man an kleinen Kästen vorbei, in denen hinter Gittern eine kleine Figur steht. Die Heilige Maria wahrscheinlich. Wer will, kann diese Säulen auch als Stütze nutzen, dagegen sinken und beim Blick auf den noch zu bewältigenden Weg nach oben die Augen hervortreten lassen. Ich fand aber, dass der Weg zu bewältigen war und das sogar recht angenehm. Die 35/40min, je nachdem wie oft man sich umblickt und Fotos macht, kommen hin. Oben steht man dann vor einer recht großen, menschenleeren Kapelle aus dem 13. Jahrhundert und der begehrten Aussichtsplattform. Weil die Aussicht wirklich unbeschreiblich ist, wage ich auch keinen Versuch :wink:
Am Wegesrand der Kirche nehme ich dann eine kleine Sandprobe, authentischen Dreck aus dem Massif des Maures, und einen kleinen Wacker. Die Steine sind faszinierend. Man lernt allein durch ihre Betrachtung, warum das Massif des Maures als eines der ältesten Gebirge Frankreichs schon so weit abgetragen wurde im Laufe der Jahrtausende, dass die hächste Erhebung nur noch knapp 800m beträgt. Es bricht wie morsches Holz. Vielleicht ist die Steinlaus keine Erfindung von Loriot? Ein Stein glänzt rotgold, der andere braunsilbern, ein dritter sieht fast aus wie Marmor. Wie sehr man sich bei solchen Entdeckungen wünscht, mehr Geologie beigebracht bekommen zu haben!

Etwas Verwirrung kam beim Rückweg auf. Wo ist der Rückweg? Auf der Rückseite der Kirche gingen mehrere kleine, aber weniger felsige Wanderwege ab, einer davon sollte auf eine Straße treffen, die aus dem Massif heraus zurück nach Bormes führte. In der völligen Einsamkeit und ohne Ahnung marschierten wir einfach los. Nein, diesmal gab es keine Panne und wir fanden die Straße nach etwa einer Stunde, in der wir noch tiefer in das Herz dieses Gebirges vordrangen. Versteckt und umzeunt standen alle paar hundert Meter große, teilweise mit Graffiti beschmierte Wassertanks. Nicht nur Zeichen der „Zivilisation“, sondern auch mahnende Zeugen der stets präsenten Waldbrandgefahr in diesem fragilen Wald.


Einzige Richtung: Nach oben


Gute Aussichten für Wanderer: Die Krise ist vorbei

Mehr Informationen
Panorama-Fotos von der Aussichtsplattform

Was wurde eigentlich aus…

Erste und letzte Folge: Die Orange vor dem Polizeirevier. In meiner Reiseführer-Sektion berichtete ich unter dem Ratgeber-Punkt « Orangen » von zwei schönen Bäumen mit Früchten, die niemandem gehören, die niemand pflückt und die stattdessen jeder pflücken sollte, der eine will. Ich wollte eine. Gut, dass ich erst nachdem ich diese schöne Frucht, ein konzentriertes Stück des Südens, in der Hand hatte, merkte, dass es sich bei diesem öffentlichen Gebäude um die örtliche Polizei handelte. Sonst hätte ich das nie gemacht. Ist aber nichts passiert und ich trug das Obst wie eine Trophäe ins Hotel. Keine Festnahme im Urlaub.

Meine erste eigene Ernte, frisch und ungespritzt und richtig gut duftend. Nach einer sorgfältigen Pellaktion blieb nicht mehr viel Orange übrig. Mit der dicken Schale hätte man ganze Häuser isolieren können. Ein genießerischer Biss endete in einem Drama, das sich über zwei Tage hinziehen sollte. Sie war bitter, sauer und ungenießbar, alles drei in Superlativen. Wie schade. Die ganze Aktion umsonst?

In den nächsten zwei Tagen, die die sterblichen Überreste der Orange im Kühlschrank auf dem Zimmer verbrachten, sammelte ich fleißig Zuckerpäckchen vom Frühstückstisch um dann endlich wenigstens Orangensaft produzieren zu können. Mein eigener Saftladen!
Die Orange ergab im Glas genau zwei Zentimeter Fruchtsaft, mühsam mit beiden Händen rausgequetscht. Der Zucker machte das ganze zu einem Sirop, der anschließend 1:10 mit Mineralwasser verdünnt werden musste, um wenigstens halbwegs ordentlich davon nippen zu können, ohne dass die Bitterkeit wieder durchschlug. Ich wollte alles austrinken. Ich wollte nicht, dass diese Orange umsonst hat sterben müssen. Es war aber einfach zu viel. Je mehr man trank, desto mehr musste man den nächsten Schluck mit noch mehr Wasser verdünnen, am Ende wäre es bestimmt ein ganzer Liter Orangensaft geworden. Es landete im Ausguss und es tut mir heute noch Leid. Das waren die traurigsten Urlaubsminuten meines Lebens. :frowning:


…und was sagt uns das?:
DIESE Orangen benötigen keine lauernde Polizeistreife, Diebe werden von selbst bestraft :smiley:

Absolut. Gestohlene Früchte schmecken nicht.

so ein quatsch,man muss nur wissen [size=200]wo[/size] man/frau sie klaut
:mrgreen:

[size=150]Sanary-sur-Mer - La Ciotat - Cassis[/size]

Mittwoch. Urlaubshalbzeit. Man beginnt sich zu erholen und sich darauf einzulassen, dass der Süden ein Ort ohne Melancholie ist. Wo Sorgen keinen Raum mehr haben und auch die mitgebrachte Lieblingsmusik aus dem Noooooorden nicht mehr funktioniert. Zum Glück vielleicht. Es ist aber auch der Tag, an dem man so ganz leicht Dinge vermisst. Meine lieben Mitreisenden haben beim Frühstück Sehnsucht nach Wurst- und Käsebaguette und bestellen kurzerhand einen Teller mit Aufschnitt. An dem Blick der Bedienung wussten wir, dass sie uns von jetzt an verachten würde. Vorbei mit den Nettigkeiten und dem freundlichen Lächeln. Doch das Schlimmste kam noch. Einer meiner copains hat tatsächlich die Krümel auf dem Teller mit einer Scheibe Mettwurst aufgetupft und dann aufs Baeguette gelegt. Ich habe noch nie etwas gesehen, was so sehr das Siegel „Barbar aus dem Norden!!!“ verdient wie das. Ich hoffe, es hat keiner gesehen. Dieses Bild jedenfalls geht mir an diesem Tag nicht mehr aus dem Kopf.

Zumindest fast. Auf dem Plan steht nämlich eine wirklich atemberaubende Autotour entlang der Küste mit dem spektakulärsten Part zwischen La Ciotat und Cassis. Hatte ich wirklich gedacht, dass es eine lockere Autotour werden würde? Aus jenem Mittwoch ziehe ich drei Lehren: 1. Im Sommer platzt die Küste aus allen Nähten (zum 1000. Mal! Es stimmt.) 2. Fahre nie in ein Dorf, in dem gerade Markttag ist. 3. Fahre nie zu Strandzeiten Richtung Küste.
Unsere erste Station sollte Sanary-sur-Mer sein. Das war mein Wunsch. Es ist sowas wie die Hauptstadt der deutschen Exilliteratur zur Nazi-Zeit gewesen. Lion Feuchtwanger und Thomas Mann hatten hier Villen und Feuchtwangers Frau ist es zu verdanken, dass die tückische französische Küste nicht in einer Oktobernacht drei der bedeutendsten deutschen Schriftsteller jener Zeit den Tod gebracht hat: Als Brecht, Zweig und Feuchtwanger an einer Klippe Sternschnuppen beobachteten, rollte das hinter ihnen geparkte Auto geradewegs auf sie zu. Feuchtwangers Frau sprang dann todesmutig auf den Wagen und riss das Lenkrad rum. Zum Glück!

Enttäuschung in Sanary

Was ich an diesem Mittwochmorgen dann in Sanary vorfinde, entzaubert diesen Ort vollkommen. Es entweiht ihn gar. Es ist Markttag, Straßen sind gesperrt und über die restlichen Straßen wälzen sich die Urlauber gen Strand und ins Zentrum. Es ist nicht daran zu denken, auch nur einen halben Parkplatz zu finden, um auszusteigen und diesem Ort zu huldigen. Sanary ist mit dem Badeort Six-Fours-les-Plages verschmolzen und beide beeindrucken durch ihre außergewöhnlich hässliche Architektur hinter der Promenade mit dem wirklich schönen Strand - rosa, gelbe, graue Pensionen mit Autos davor, die von der Straße gerade eine schmale Spur lassen. Ich frage mich, warum die Leute, die darin urlauben um nur an den Strand zu gehen und sich braten zu lassen, mit dem Auto und nicht mit der Bahn anreisen müssen. Warum? Alles was sie wollen, erreichen sie zu Fuß bequem: Strand, Bar, Klamotten- und Souvenirläden. Die Leute, die ich sehe, während wir durch Sanary fahren, kommen mir wie Ignoranten vor. Gegenüber diesem bedeutendem Ort. In Sanary war kein Fuß auf die Erde zu bekommen und wir verlassen diesen entweihten Ort in Groll und Trauer.

Die Fahrt durch Bandol ist sehr ähnlich - ausufernde Vorstädte, Blechlawinen und Neubau-Villen. Dabei hat es ein ganz nettes Zentrum, ein paar schöne Gassen und die Île de Bendor, die vor der Küste liegt und ein nachgebautes provenzalisches Dorf beherbergt. Erst im Hinterland, in La Cadière d’Azur kehrt sowas wie Ruhe ein. Man hört die Zikaden bei geschlossenen Fenstern im Auto. Unser vorläufiges Ziel ist La Ciotat. Es ist Essenszeit und auch sonst wollen wir uns ein bisschen stärken, bevor es auf die legendäre, für uns aber unbekannte Route des Crêtes geht, die Kammstraße ganz kurz hinter den höchsten Klippen Frankreichs.

Überraschung La Ciotat

La Ciotat ist eine verblüffend ruhige Kleinstadt und wir sind zu jener Zeit die einzigen Touristen, die sich ihren Weg durch die Altstadt runter zum Hafen bahnen. 40.000 Einwohner. Die Nähe zu Marseille ist zu spüren, La Ciotat hat nur noch wenig von Côte d’Azur, die alten Straßenzüge sind schäbig, die Straßen dreckig, so manche Gasse recht unheimlich. Die Leute, die in den kleinen Restaurants sitzen, sehen nicht aus wie Touristen und sie klingen auch nicht so. Im Zeitschriftenladen kaufe ich eine Postkarte für meine Sammlung und merke das erste Mal im Urlaub, dass mir meine Französischkenntnisse hier nicht weiterhelfen würden. Ich verstehe kein Wort von dem, was die beiden Kassierinnen miteinander plaudern, während ich bezahle.
La Ciotat ist der erste Ort am Wasser, den man von der Autobahn aus Aix Richtung Toulon kommend sieht. Beeindruckend ist da vor allem dieser große, runde, dunkelgraue Fels, der den Hafen dominiert und vor dem das Zeugnis einer Werftvergangenheit aufragt. Jetzt beim Essen am Hafen sitzen wir so nah dran wie nie zuvor. Wirklich ein beeindruckendes Hafenpanorama, das nicht schön ist, sondern einfach beeindruckend.

Zweier Erfindungen darf sich La Ciotat rühmen, das so unberührt vom Tourismus wirkt wie wohl sonst kein zweiter Ort an der Küste zwischen Marseille und Menton: Die des Kinos und des Pétanques. 1985 filmten die Brüder Lumière in La Ciotat die Einfahrt eines Zuges im örtlichen Bahnhof - und sorgten für Angst und Schrecken unter den Zuschauern, die diesen kurzen Streifen sahen. Man befand sich noch in der Zeit, als die Leute glaubten, dass der Zug auf der Leinwand auf sie zufährt und die aus Angst schreiend aus der Vorstellung rannten.
Die zweite Erfindung, Pétanque, ist von Jules Le Noir und gerade einmal 101 Jahre alt. Der von Rheuma geplagte Le Noir erfand eine Variante des Jeu Provençale, bei der man nicht 20 Meter Anlauf nehmen musste um die Kugeln zu werfen, sondern bei der man ganz bequem auf dem Fleck stehenbleiben muss. Gut für Rheuma.

Insgesamt gefällt mir an La Ciotat vor allem, dass es ein authentischer Ort ist, dem man seine Industrievergangenheit zwar ansieht, die aber nicht so dominant ist, dass sie den südfranzösischen Charme verdrängt.

Atemnot am Cap

Die Route des Crêtes ist gut ausgeschildert und leicht zu finden. Direkt am nordöstlichen Ende der Innenstadt geht es links den Berg hoch - und von einem Meter auf den anderen erlebt man ungewöhnlich schleichende französische Autofahrer. Es wird klar, warum man die Straße bei starkem Wind nicht befahren sollte. Die Aussicht ist abenteuerlich, die Breite der Straße aber auch. Auf dem Weg nach oben, von wo aus man Cassis und die Calanques sehen kann, gibt es zahlreiche Haltebuchten, die man auch alle schön nutzen sollte, weil jeder Ausblick nach jeder Kurve etwas Neues und Spektakuläres birgt. Höhepunkt ist das Cap Canaille, jener rote Felsen, der die höchte Klippe Frankreichs bildet. Nach Cassis sind es von da oben nur noch 362 Meter - gerade runter. Interessant ist wieder einmal das Gestein. Von La Ciotat aus steht man irgendwann genau an der Grenze zwischen weißem Kalk und dem rotem Stein, aus dem das Cap Canaille ist. Bei so mancher Aussicht da oben muss man schon den Atem anhalten. Ein Geländer gibt es nur ein einziges Mal, der Rest ist eine natürliche, vor sich hinbröckelnde Grenze, zu der der Instinkt des Menschen automatisch einen gesunden Abstand hält.

Unsere letzte Station ist Cassis. Ein Ort, dem der große Dichter der Provence, Literaturnobelpreisträger Frédéric Mistral in zahlreichen Versen huldigte. An einem Denkmal am Rande des Hafens steht: „Umble émé l’umble e maifièr que lou fièr“ (Humble avec les humbles et plus fier que les fiers). Cassis hat einen netten Hafen und schöne Gassen, man merkt aber vor allem, dass es die erste Anlaufstelle für freizeitsüchtige Marseiller ist. Ich habe nie an der ganzen Küste einen Strand gesehen, der voller war als jener in Cassis am Hafen unterhalb der Burg. Nie. Wer dort einen Platz haben will, muss warten, bis jemand den Strand verlässt, sonst hat nicht mal ein Gästehandtuch Platz. Die Kulisse ist aber schon einmalig, das Cap Canaille beeindruckend. Eine kleine Familie sitzt zum Angeln auf der Mole. Noch während wir am Geländer oberhalb ihr stehen, zieht der junge Vater einen winzigen Fisch aus dem Wasser, lacht und der Junge bricht in kindlich überschwängliches Jubeln aus.

Ich nehme viele tolle Eindrücke von dieser Tour mit, vor allem aber auch einen negativen, der mir einen neuen Herzenswunsch eingepflanzt hat: Ich sehne die Zeit herbei, in der wir alle per IPhone reisen können. Nie wieder Stau, keine lästigen Autos an den schönen Straßenrändern, nie wieder Autosauna. Stressfrei, geräuschfrei, schnell, das wird die Beam-App bringen. Wenn es sie wirklich gibt, dann werde ich mir auch so ein Spielkind-Telefon anschaffen. Diese Innovation würde mich überzeugen.


Zwischen Himmel und Meer: Bandol in der Ferne


La Ciotat


Luft anhalten: Einer der Aussichtspunkte an der Route des Crêtes bietet diesen Ausblick. Ein Blick in die Calanques.


Cassis


Cap Canaille von unten

Liegt seit Tagen in meinem Scanner, jetzt steht sie aber endlich im Forum: Eine Karte zur Orientierung. Im Westen sind die Proportionen aber etwas verschoben.

[size=150]Saint-Tropez[/size]

Sans trop de pèse. St. Tropez, der einzige Schickimicki-Ort, den die Franzosen selber entdeckt haben, zudem der einzige, der von Anfang an ein Urlaubszentrum des Sommers war und nicht wie Nizza oder Cannes des Winters.
In der Unwissenheit, ob wir überhaupt einen Fuß auf den Boden kriegen würden, fuhren wir kurz nach 10 Uhr los. Wie 2009 erwarteten wir verstopfte Straßen und belegte Parkplätze. Wie ein Wunder jedoch war dem diesmal nicht so, und der Grund war offensichtlich: Es war kein Markttag, sondern Donnerstag. Gut, die Parklücke war dann doch etwas eng, wir stiegen durch das Schiebedach aus.
Am Hafen mit den Mega-Jachten, immer den Touristenströmen nach ging es in Richtung Innendorf. Eine Sache faszinierte mich und zugleich habe ich noch nie etwas so lächerlich gefunden wie das. Jeder Tourist, der uns begegnete, und es waren zweifellos Touristen, hatte sich herausgeputzt. Die Mädchen und Frauen trugen Sommerkleider, modische Sonnenbrillen und eine perfekt gestylte Mähne. Und Schmuck natürlich. Die Männer ausnahmslos Flipflops, Hemd oder Polo-Shirt mit hochgschlagenem Kragen (die BWL-Montour, wie man sie an der Uni nennt) und verspiegelter Sonnenbrille. Was erwarten diese Leute? Nicht aufzufallen als Tourist? Dass man sie mit Reichen verwechseln könnte? Dass sie „entdeckt“ werden? Wie lächerlich. Wenn ich sie nicht sowie schon getragen hätte, hätte ich demonstrativ meine Touristenuniform angelegt. Geschmacklose aber bequeme grüne Karo-Shorts, farblich dazu passend ein rotes T-Shirt, weiße Socken und abgelatschte, blaue Wildlederturnschuhe, Knipskiste in der Hand, Plastiksonnenbrille.

An solchen Tagen präsentiert sich die Hochprominenz bestimmt nicht in St. Tropez. Was man sehen konnte, waren maximal Neureiche, die gerne vor Touristen posen, sich mit einem Mercedeskleinbus an den Hafen chauffieren lassen um dann auf einer Tankerjacht zu verschwinden, die 6 Millionen Euro kostet und 800 Liter Diesel pro Stunde Vollgas schluckt, wie wir in Erfahrung bringen konnten. Als wir auf der berühmten Mole standen und einen Überlick über die Bucht mit dem dunkelblauen, wilden Wasser und den kleinen Hafen hatten, musste ich beim Beobachten der Bööööööötchen unwillkürlich an Guido Westerwelle denken. Wenn etwas spätrömisch dekadent ist, dann das hier! Jachten, die höher sind als die höchsten Häuser der ersten Reihe. Nichts gegen ein bisschen Luxus. Aber es ist eine Frage des Maßes. Und was wir da sehen konnten fällt ganz klar unter Maßlosigkeit.

Dabei ist St. Tropez ein wirklich wunderschöner Ort. Das hätte ich gar nicht gedacht. Ich hatte gedacht, es wäre überall wie am Hafen mit diesen Luxusboutiquen und Touristenströmen. Es war aber nicht so. Das „St. Tropez der zweiten Reihe“, wie ich es ab sofort nennen werde, ist einfach nur ein außergewöhnlich hübscher, typisch südfranzösischer Ort mit kleinen Gassen, blumenbewachsenen Fassaden, einer bunten Kirche als Zentrum und Markenzeichen und einer an sich traumhaften Lage. Nur dass in den Abflussgittern am Straßenrand neben den üblichen Zigarettenstummeln auch Zigarren liegen.

Wir liefen ein Stück am Meer entlang und bogen am Ende ab, die Straße hoch zur Zitadelle, von wo aus alle diese Bilder gemacht wurden, die St. Tropez durch Pinien hindruch malerisch vor dem blauen Wasser zeigen. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz am neuen Hafen, nochmal durch das Dorf hindurch, stelle ich fest, dass St. Tropez und ich versöhnt sind. Doch gut, dass ich mitgekommen war. Auch wenn meine als Ersatz geplante Wanderung zum Cap Lardier ins Wasser gefallen ist. War sowieso zu warm an diesem Tag.

P.S.: Einen vom Tourismus überverwöhnten Ort erkennt man daran, dass das Touristenbüro Stadtpläne nicht mehr gratis abgibt, sondern 2€ für den Wisch verlangt. St. Tropez ist Nummer 2 auf meiner Liste. Nach Porquerolles.


Am Hafen


Vom Hafen weg


Wo sind sie denn plötzlich, die Touristen und Möchtegernreichen?


Kirche

Oh ja, es ist sehr hilfreich, wenn man weiß wann und wo Markt ist. :wink:

Ich war vor Jahren in St. Tropez und fand den Ort sehr hübsch, vor allem, wenn man sich vom Hafen entfernte.

[size=150]Bonjour Tristesse[/size]

Was macht man an den letzten beiden Urlaubstagen? Noch einmal alles rausholen, wandern und durch die Gegend fahren bis zum Umfallen? Faulenzen und die Sonne genießen? Oder sich schonmal auf die bevorstehende Tristesse des Nach-Urlaubsloch vorbereiten, das einen trifft, wenn die Organisation seiner eigenen Zukunft nebst Prüfungsstress bevorsteht? Ehe man sich entscheiden kann, ist man dann schon mitten drin in einer wilden Mischung aus allem drei. Erst faulenzen und durch das Dorf streunern. Sand als Erinnerung sammeln, Samen für künftige, verzweifelte Züchtungen, die ein Stück des Südens in den Alltag transportieren sollen und Souvenirs für die beste Freundin kaufen. Die fand ich ausgerechnet in dem Laden, den ich die ganze Woche über gemieden hatte. 2009 trafen wir dort auf einen unfassbar grimmigen und unfreundlichen Verkäufer. Aber diesmal war alles anders und ich war ganz perplex. Statt wieder unfreundlich zu sein und sich über die nervigen Touristen zu ärgern (die seinen Laden finanzieren), hielten wir diesmal einen netten Plausch darüber, dass so viele euopäische Jugendliche Französisch lernen, und über Émile Zola. Tatsächlich. Welch eine Bestätigung des französischen Klischees. Das wahre Land der Dichter und Denker, in dem jeder alle Klassiker kennt, während die Deutschen maximal über Dora Heldt oder Charlotte Roche diskutieren…
Leider warf mich dieses kleine Gespräch gleich zurück in meine Depression. Mit dem Tag der Rückkehr müsste ich mit der Vorbereitung der mündlichen Prüfung weitermachen und zugleich alles organisieren, was ich für die neue Uni brauche. Mich trennen von meiner Heimat. Und dann arbeiten, arbeiten, arbeiten.

Sarkozy, der seinen Urlaub in Le Lavandou verbrachte, war sowas wie unser Running Gag der Woche. Bei einem letzten Shopping-Besuch in Le Lavandou dann der letzte, der allerletzte. Einer aus unserer kleinen Kaffeefahrttruppe wollte günstige Turnschuhe kaufen, aber die Auslaufmodelle waren nicht in seiner Größe.
„Kaufen die Franzosen nur kleine Schuhe, oder was?“
„Ja, hat Sarkozy verfügt.“

Am letzten Morgen, dessen Dunst die Îles d’Or verschwinden ließ, machten wir uns dann mal auf, um der Sommerresidenz des Präsidenten, dem mysteriösen Fort Brégançon, zumindest aus der Ferne einen Besuch abzustatten und auf dem Sentier du Littoral ein paar Stunden zu wandern. Dass Sarkozy an jenem Tag aber nicht mal an der Küste war, merkten wir nicht an der seit einigen Tagen erstmals mangelnden Polizeipräsenz überall, sondern abends am Fernsehen. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA an jenem Tag und die Meldung, dass Sarko und Merkel in Berlin darüber Kaffee trinken und Kuchen essen, waren die wichtigsten Themen.

Jene Passage der Küste gehört zu den unberührtesten an der Côte d’Azur. Keine Hauptverkehrsstraße führt hier durch, das Parken am Straßenrand ist nicht erlaubt, nur zwei Weingüter überhaupt deuten darauf hin, dass hier, nur ein paar Kilometer vom Ferienort Bormes-la-Favière entfernt, Menschen leben. Sonst nur Felder, Gestrüpp, Korkeichen, Zikaden. Die Strände sind nur per Wanderung erreichbar und davon wollten wir uns jetzt überzeugen. 90 Minuten vom Plage de l’Estagnol zum Cap Brégançon und zurück. Einzelheiten dieser Tour gibt es nicht zu berichten. Es reduziert sich auf die Substantive Schönheit, Meer, Felsen, Strand, Menschen, Algenpolster, Mini-Buchten, Sonne, Neugier. Bewusst zu wandern gefällt mir wirklich gut und fühlt sich ganz anders an als meine Touren in den Jahren zuvor, wo die Wanderungen überraschend und unfreiwillig kamen.

Wir verlassen Bormes bei 17°C morgens um 8 Uhr, dicke und faszinierende Regenwolken hängen über Küste und den Bergen. Heftig regnet es in Orange, während Baden bei 20° unter der Abendsonne liegt. Die Melancholie hat mich zurück, wie ich feststelle, als meine traurige Lieblingsmusik anders als unter der Sonne des Südens wieder funktioniert und mich tröstet. Ab jetzt gibt es ja wieder etwas, das Trost brauchen kann. Und dann noch das Hessen-Happy-End: Um einem Stau bei Mannheim auszuweichen, fährt man kurzerhand mitten durch das beschauliche, ruhige, friedliche Hessen, vorbei an der Burg von Marburg im letzten Sonnenschein, durch kleine, hübsch herausgeputzte Fachwerkdörfer. Es wäre wirklich schade, wenn man Hessen ausbaggern und exportieren würde. Trotzdem jede Wette, dass ich meine Meinung wieder ändern werde, sobald die nächste Fahrt nach Frankreich ansteht und Hessen die Tour wesentlich verlängert.

Zu Hause sehe ich, dass das Wasser auf meiner Fensterbank steht. Dass die Pfützen der Straße wieder einmal über ihre Ufer getreten sind. Und dass der Rasen so hoch gewachsen ist, dass man ihm nur mit einem Mähdrescher beikommen kann. Egal wie sehr man es auch versucht, man kann sieben Tagen Regenwetter nicht entkommen.


Bäume. Und links der angenehmste Wanderuntergrund an diesem Tag. Später folgte die ein oder andere Kletterpartie über glitschtige Felsen


Mir gefällt die Farbkombination, die man an jener Stelle finden konnte. Rot, blau, grün in den schönsten und strahlendsten Versionen


Beobachtung am Wegesrand. Ja, das sind wirklich Wurzeln, so dick wie Wasserrohre


Das Cap Brégançon samt Fort

Links
Beschreibung und Impressionen dieser Wanderung bei Balade en Provence
Eine andere Wanderung auf dem Gebiet der Kommune von Bormes: Sentier du littoral von La Favière zum Cap

Ja, ja, ja! Die Farben. Jeden Tag und zu jeder Stunde immer wieder neu, obwohl die gleiche Stelle! Schön!

Schöner Bericht und tolle Bilder, danke Avonlea. :merci:

:merci: Herrlich die verkrüppelten Bäume an den Küsten geben immer prima Motive ab. Wie der einzelne in deinen Link :top:

Bäume sind die stummen Stars jeder Landschaftsfotografie!
Den hier habe ich auf der Giens-Wanderung gesehen:

Die eine Seite ist kaputt, aber trotzdem oder gerade deswegen habe ich selten einen Baum gesehen, der lebendiger und beweglicher wirkt als dieser.

P.S.: Souris, jetzt darfst du mit deinem Reisebericht beginnen! :mrgreen:

Jau, ich bin noch dabei die Fotos zu sortieren. :laughing:

:top: wenn ich die Bilder so sehe verspüre ich schon wieder so ein leichtes zucken in meinen rechten Zeigefinger :smiley:

Ganz toller Bericht mit schönen Bildern! Kompliment!

lg Susi

Merci beaucoup! :slight_smile: