Von kleinen Königinnen und dem Mann mit dem Hammer: Tourblog

Von kleinen Königinnen, Tänzerinnen und dem Mann mit dem Hammer: Der Sommerloch-Tour-Blog

Na, habt ihr mich vermisst gestern? Ich hoffe doch sehr! Aber ich habe einen sehr guten Grund. Gestern in aller Frühe stieg ich in den Flieger nach Rotterdam, erst mein fünfter Flug insgesamt, wenn man alle Teilstrecken zwischen Hamburg und Nizza mitrechnet.
Das Motto der nächsten drei Wochen lautet: Lohnt es sich, die Tour zu fahren oder sollte man darauf verzichten?
Aber Schluss jetzt mit dem heißen Brei. Ab heute werden sowieso nur noch Nudeln gegessen und klebrige Powergels. Ich fahre die Tour de France. Vor Monaten berichtete ich hier im Forum, dass ich diesen Sommer nicht nach Frankreich fahren kann und deshalb geknickt war. Dass ich nun doch noch nach Frankreich kann, kam ganz überraschend.
Ich möchte gar nicht sagen (nicht so öffentlich), wie ich dazu kam, aber ich sage soviel: Es waren verschlungene Wege. Das ist aber nicht wichtig. Ich habe die Wildcard und werde als unabhängige Teilnehmerin bei dem größten jährlichen Sportereignis der Welt starten und wieder einen Frankreich-Reisebericht abliefern, diesmal aber live! Im Teambus gibt es einen Laptop mit Internetanschluss.

Das wird ein Erlebnis! Als ich letzte Woche das Ok bekam, habe ich schnell noch ein Trainingslager eingelegt, bin eine Stunde lang die Treppen der philosophischen Fakultät meiner Uni die 14 Stockwerke auf und ab gelaufen (Sauerstoffzelt stand im siebten Stock, nicht ganz oben. Das ist eine Taktikfrage.), den Waseberg in Blankenese erklommen, die Windkante am Deich getestet und einen Coopertest absolviert (Erinnert ihr euch? 12 Minuten lang so schnell laufen wie man kann und der Sportlehrer guckt zu). Ich fühle mich bestens vorbereitet.
Zudem habe ich allerhand französisches Rad-Vokabular gelerrnt, das ich selbstverständlich an euch weiterreichen werde im Laufe dieser Tour.

Ich muss mich natürlich erst im Feld etablieren. So stagiaires haben es ja nicht leicht. Und die Sponsoren müssen erst auch noch klingeln. Das hat aber auch was Gutes: Ich bin der Herr in meinem eigenen Team. Mein Begleitfahrtzeug ist ganz unfreiwillig und unbedacht eine Mercedes C-Klasse, die mein Teamchef, Physiotherapeut, Manager, Pressesprecher und sportlicher Leiter letztes Jahr günstig in Warschau erworben hat. Das ist auch mein Teambus. Die C-Klasse hat einen Vorteil; die Dixie-Dusche passt quer in den Kofferraum. Das Auto macht was her, im Vergleich zu den Skodas der anderen!
Ich habe ihn gerade schon erwähnt, meinen treuen und einzigen Begleiter, Simón. In den kommenden Tagen werde ich auch ihn noch genauer vorstellen.

Heute war die Teampräsentation. Das war was aufregend! Man kann sich als Einzelkämpfer nicht in der Masse verstecken. Ich wäre liebend gerne zusammen mit einem anderen Team die Rampe hochgefahren und hätte mich in die zweite Reihe gestellt. Das geht aber natürlich nicht. Also bin ich da alleine hoch, als mein Teamname aufgerufen wurde. Das war ein Moment! Wie als wenn du Bruce McLaren heißt, ein eigenes Formel-1-Team aufmachst und für dein eigenes Team fährst! Nur mit dem Unterschied, dass ich noch gefahren bin. Immerhin hat so keiner Probleme, sich meinen Namen zu merken. Und nein, die erste Avonlea-Panne ist mir heute noch nicht passiert, ich habe die Rampe nicht verfehlt.
Die Kameras blitzten und ich grinste. Jemand hat auch gelacht, aber das war bestimmt nicht wegen mir. Ok, mein Rad war ein bisschen peinlich. Beim Ausbauen der Rücktrittbremse ist mir ein Fehler unterlaufen. Bis morgen ist das aber repariert. Auf dem neusten Stand ist mein petite reine, wie der Franzose liebevoll sein Rad nennt, leider auch nicht. Das deutsche Wort Drahtesel würde eher passen. Aber wie unglamourös das klingt! Kein Wunder, dass die Franzosen eine Radsportnation sind und wir nicht. Bei den linguistischen Bedingungen.


Ma petite reine!
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Bei meiner Debüt-Tour habe ich verschiedene Ziele.

  1. Innerhalb der nächsten Tage mein Rad tauschen. Das Bianchi von 1922 ist nicht mehr auf dem neusten Stand.
  2. Bis Paris in Form kommen
  3. In Paris ankommen
  4. Der Toursieg ist nicht mein Ziel, aber die lanterne rouge ( = Letzer des Klassements)hätte ich schon gerne.

Ich bin so ein Allrounder, ich kann alles nicht, aber das sehr gut. Ich werde alles mal ausprobieren. Potentiell bin ich leider der grimpeur poids-plume, der Bergfloh, nur ohne das Berg- davor. Vielleicht habe ich aber doch einen Vorteil, der leichteste und zweitkleinste Fahrer im Feld zu sein. On verra. Ich möchte auch nicht gleich meine Pläne offenlegen. Der Lenz liest vielleicht mit.

Für den Prolog, ein kurzes Zeitfahren über 8,9 Kilometer in Rotterdam am Samstag, habe ich mir eines der modernen Zeitfahrmaschinen vom amtierenden Zeitfahrolympiasieger und Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara ausgeborgt. Der war ganz heiß darauf, das Rad loszuwerden. Kann ich gar nicht verstehen, aber ich bin froh drüber. Ok, der Rahmen ist etwa drei Nummern zu groß, aber Simón hat die Pedalen ein bisschen hochgeschraubt. Das wird schon gehen. Ich bin überzeugt von mir. Und ich freue mich darauf, euch ab Samstag mit durch Frankreich zu nehmen. Wer etwas Landestypisches beisteuern möchte, darf das selbstverständlich gerne tun. My Reise is your Reise!

So ganz langsam wird es in Rotterdam dunkel. Wir haben immer noch 25°C, wenn das so bleibt, erwarte ich für Sonntag eine Hitzeschlacht. Ich weiß noch nicht, ob mir das liegt. Ich bin eher so der Nieselregentyp.

Bis Samstag dann.
Glück auf!
Und bergauf.

Hier noch mein Kalender für die nächsten drei Wochen.

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ich freue mich auf deinen tourblog

:astonished: ist ja ein hammer!!!
:smiley: ich schliesse mich gretchen an…
und wenn du fürs nächste jahr ein allroundtalend in deinem team brauchst,siehe hier:
letour.fr/2010/TDF/COURSE/fr … _2011.html
:wink:

Cooles Rad. Damit hast du sicherlich Chancen ganz nach vorne zu fahren. :laughing:

Ich verstehe. Ich werde darauf zurückkommen, sollte das mit dem Profivertrag bei dieser Tour nicht klappen. :wink:

Rotterdam, 3.Juli 2010, Prolog: Rotterdam-Rotterdam, 8,9km

Unter die Top 200 geschnieft! Und: Walnusspudding für Spartacus

Ich hänge gerade auf meinem Bett im Etap-Teamhotel und versuche mit letzter Kraft etwas in die Tasten zu hacken. Ich habe Phantomschmerzen in den Beinen. Mein Nacken fühlt sich an wie ein zähes Steak. Ich habe Feuer in der Lunge. Die Notarzt-Telefonnummer habe ich in mein Handy eingespeichert, falls es heute noch mit mir zuende gehen sollte. Solange wie ich es noch kann, werde ich diesen Tag für euch resümieren.
Der Morgen in Rotterdam begann sonnig und nudelig. Die Soße konnte ich mir aussuchen, ich entschied mich für eine exotische provençalische Tomatensoße. Geschmeckt habe ich davon nichts. Es ist ein Drama. Ich habe die schlimmste Erkältung seit Jahren. In der Nacht zu vorgestern habe ich kaum geschlafen und in der Hitze fühlte sich alles an wie Schüttelfrost: Um 2Uhr nachts stand ich auf um das Fenster zu schließen, um 3 um es zu öffenen, um fünf um es zu schließen und um 7 bin ich aufgestanden. Es ist so ein ätzender Niesschnupfen, immer dreimal hintereinander und dann ist für zehn Minuten Ruhe und dann geht es wieder los. Das nenne ich Intervalltraining der anderen Art. Das große Dilemma: Alles, was helfen könnte, steht auf der Dopingliste. Selbst simple Nasentropfen enthalten einen verbotenen Wirkstoff. Das hätte ich nicht gedacht und es handicapt mich. Bleiben nur Kräuterinhalationen und Natriumcholridwasserstoffidoxidspülungen.

Nach dem Frühstück fuhren mein Rennleiter und ich schonmal in die Innenstadt. Die Polizei war gerade dabei alles abzusperren, einige Zuschauer haben sich die Plätze an der Ziellinie -wie die Engländer ihre Liegen auf Mallorca mit Handtüchern- mit Wohnwagen gesichert. Ich wusste doch, dass diese Plastikkisten für was gut sind. Musik dröhnte aus den Boxen und die Sponsoren testeten ihre Werbegeschenke. Es ist ein Fest für die Holländer, auch der Halbfinaleinzug der Oranjes gestern trug zur Stimmung bei. Le Grand Départ hat das Zeug dazu, wirklich ein Grand Départ zu werden. Die Tour zu Gast bei Freunden.
Mein Training ging ich locker an. Ein paar Treppen hochsprinten, Arme und Nacken lockern und noch mehr Nudeln essen.

Ich habe gehört, in Deutschland brutzelt ihr bei 35°C? Das hatten wir gestern. Für heute hat mein Wetter-Voodoo funktioniert. Um die 22°C und Wolken. Dann kam der Regen und die Temperaturen sanken. Als ich startete, war die Strecke pitschnass. Ich habe nie Respekt vor Regen gehabt, aber diesmal hatte ich gar Angst vor ihm. Mit dem glitschigen Zeitfahrrrad über glitschige Strecke.

Um 16:15 ging der erste Fahrer vom Footon-Servotto-Team von der Rampe, danach jagten ihn die anderen im Minutentakt. Ich bin für 17:10:50 ausgelost worden, konnte also die erste Halbzeit von Deutschland-Argentinien verfolgen, während ich schonmal dieses berühmte Rollentraining getestet habe. Das mache ich aber bestimmt so schnell nicht noch mal. Ohne Fahrtwind bis zur Erschöpfung abstrampeln und anschließend noch ein Rennen fahren? Bin ich verrückt geworden? Es ist auch weniger lustig, auf der Stelle zu treten vorm Teambus und dauernd kommen Schaulustige vorbei.

Beim Zeitfahren gelten andere Regeln als in den Bergen. Beim Zeitfahren ist mehr Gewicht förderlich, denn die Leistung entwickelt sich hier proportional zum Gewicht. Das ist gut für großen schweren Starter und äußerst schlecht für mich. Nervosität ist auch nicht der beste Antrieb, Versagensängste aber eine hervorragende Motivation. Heute hatte ich nur ersteres. Ich hatte nicht genug Fantasie um mir vorstellen, dass ich Favoritin bin und schon im Prolog mein Ruf auf dem Spiel stand. Das ging nicht. Die andere Motivation, die der Freude, ist manchmal weniger wert als die der Angst. Damit hätten wir für heute auch die Psychostunde abgehakt…
Contre-la-montre individuel ist der französische Begriff fürs Zeitfahren. Das lässt sich knackig abkürzen auf CLM und jeder weiß bescheid. Auch TT in Englisch ist eine markante Abkürzung, aber was haben wir eigentlich dafür im Deutschen? ZF? Wirklich?

Die Rampe. Der Rampenrennleiterdings hält mir die Finger ins Gesicht. Cinq-quatre-trois-deux-un und dann geht’s los, der Offizielle hinter mir mit der ebenfalls blauen Krawatte lässt mein Rad los und gebe Gas.
Ich habe mich gefühlt wie eine Dampflock, nicht weil ich so schnell war, sondern weil es wahnsinnig laut ist. Echt unglaublich- die Reifen sind so bis zum Anschlag voll mit Luft, dass sie sich härter anfühlen als der Asphalt, auf dem wir fahren. Das Scheibenrad hinten habe ich auch mit jedem Tritt gespürt. Dazu dann noch die Zeitfahhelme, die von der Akustik her sind wie in einer Blechbüchse mit Lausprechern drin. Simón hat nur einmal was über Funk gesagt, aber ich weiß nicht was. Vielleicht war es die Zwischenzeit und er hat es danach besser gefunden zu schweigen.

Sieht das nicht professionell aus? Ok, das Vorderrad schleift am Rahmen, aber das ist mir im Rennen gar nicht aufgefallen. Foto: Simón

Zwei Erhöhungen gab es, die Erasmusbrücke und die Willemsbrücke, jeweils 20/19m über Null. Das ist nichts. Das war kein Problem für mich. Das Fieber kommt immer erst, wenn man vom Rad steigt. Dann platzt die Hitze ins Gesicht und die 17 Minuten mit 50km/h hinterlassen ihre Spuren. Im Motorsport heißt es, ein gutes Rennauto fällt direkt nach der Ziellinie auseinander. Wenn das auch für den Radsport gilt, dann war meine Zieldurchfahrt ein gutes Omen. Mit nur 7 Minuten Rückstand bin ich bin umgekippt wie ein Käfer, das teuere Carbonrad zerbrach in Einzelteile. Zum Glück unbemerkt von den Kameras. Das eine Teil in der rechten Hand, das andere in der linken und eine Schale Walnusspudding auf dem Kopf kingelte ich reumütig am Saxo Bank Teambus. Die Reaktion da hat mich überrascht und mir fiel ein Hinkelstein vom Herzen. Cancellara hat den Pudding genommen und mir zu meinem Zerstörungstalent gratuliert. Unter der Bedingung, dass dies auch mit allen anderen Rädern geschieht, lieh er mir sogar wieder ein Rad für morgen! Das ist die Großzügigkeit des Tagessiegers. Unglaublich. Ich muss mich danach nur um die Entsorgung kümmern.
Foto

Morgen geht’s auf nach Belgien!

Es dauert noch, bis es draußen dunkel wird, aber mein Tag ist schon gelaufen. Vielleicht ziehe ich mir gleich noch Fußball rein.

P.S.: Ich bin kleiner als Lionel Messi und ich nehme trotzdem keine Wachstumshormone!

Classement

  1.  CANCELLARA Fabian  	TEAM SAXO BANK  	10' 00"  	 
    
  2. MARTIN Tony TEAM HTC - COLUMBIA 10’ 10" + 00’ 10"
  3. MILLAR David GARMIN - TRANSITIONS 10’ 20" + 00’ 20"
  4. ARMSTRONG Lance TEAM RADIOSHACK 10’ 22" + 00’ 22"
  5. THOMAS Geraint SKY PRO CYCLING 10’ 23" + 00’ 23"
  6. FRANK Mathias BMC RACING TEAM 13’ 32" + 03’ 32"
  7. CARDOSO Manuel FOOTON-SERVETTO 16’ 20" + 06’ 20"
  8.  AVONLEA                     AVONLEA                    17'00''   + 07'00''
    

Wenn du schon vor dem Prolog - dem EZF zu Beginn der TDF - so auf dem Zahnfleisch daherschubbst, was passiert dann erst in den Alpen.

Übrigens: Was du an Rahmengröße und Tourzielen so auf die Bretter bringst erinnert mich schwer an Samuel Demoulin, mit seinen unter 160 einer der erfolgreichsten Laternenträger der TDF, der heuer leider nicht dabei sein kann, darf, will…

Tipp vom ExTDF-Fan: Halte dich an das Nachfolgeteam von der Telekom, solltest du mal Bedarf nach einem gallischen Zaubertrank haben. Die haben glaub ich die Wasserflaschen mit den besten Zutaten :laughing:

Ich rufe Dir zu: Halte durch Avonlea, halte durch. Ein 198. Platz ist keine Schande für einen Flachlandtiroler! Die 11. Etappe führt durch unser Dorf, da kenne ich hervorragende Abkürzungen! Hier wird der Rückstand wieder gut gemacht!!!
Und vor dem Start der 12. Etappe in unserem Nachbarstädtchen Bourg-de-Péage bringe ich Dir in Form eines « Clairette de Die » - Du weißt schon, Du bist am Tag zuvor durch die hübsche Stadt im Diois durchgefahren - ein leichtes Doping in Form eines erfrischenden Mousseux. Der wird Dir zwar keine Flügel verleihen, aber der wird die Moral wieder auf Vordermann bringen.

Vielleicht hat sogar die Manufaktur, in dem Du Dein edles Stahl(?)roß hast schneidern lassen, ein Zweitmodell. Ich sorge zum Start für ein Avonlea-Double (sofern das überhaupt möglich ist) und Du persönlich wirst Dich kurz vor Mende unter die Meute mischen. Mit frischen Kräften.

Hier in Rhône-Alpes ist Dir auf jeden Fall die Unterstützung von mir und meinen Freunden sicher.

Gruß aus der Drôme
Aperdurus

die heutige tour liegt dir. immer an der küste lang. die berge da heissen dünen :laughing: und lass dich vom gezeitenkraftwerk nicht ablenken. :sunglasses:

14:23 Uhr, kurz vor der ersten Essensstation. Ich habe kurz in einem Bistro haltgemacht und verpflege mich dort. Diese Powergels und Iso-Drinks tue ich mir heute nicht an. :S

Lieber Cristo, du hättest genauer lesen sollen. Es war nach dem Prolog, direkt nach dem Prolog. Außerdem ist das die Tour de France, das heißt:In Deutschland rollen wir auf dem Zahnfleisch, in Frankreich steuert man sein Rad „avec les oreilles“. :stuck_out_tongue:

Samuel Dumoulin’s Rad wäre mir doch zu klein. Ich habe zwei Räder im Blick, die ziemlich genau passen müssten. Das von Damiano Cunego oder das von Oscar Freire. Ich kann mich nur nicht entscheiden. In den ersten beiden Rennstunden habe ich beide genau beobachtet, aber der Cunego hat dauernd Bodyguards ums sich rum und der andere versteht nur Spanisch.

Danke für die Unterstützung, Aperdurus und Al! Ich freue mich schon auf die 11.Etappe. Schreibt ihr was mit Kreide auf die Straße für mich? Das wäre super.

Ich muss dann gleich mal weiter. Ich berichte dann erst erst morgen wieder, oder wenn ich sicher auf französischem Boden gelandet bin.
Ein Foto noch, das ich heute morgen vor dem Start geschossen habe:

Geht los, Simón? Einmal winken bitte.

P.S.: @ Cristóbal Colón: Je roule à l’eau claire!

Ah du lernst schnell :laughing:

Bin mal gespannt wie du es schaffen wirst all die Zutaten zu verschleiern die deine Aus bedeuten könnten und freu mich schon auf deine lebendigen Berichte von den Dopingkontrollen

Ich habe mich umentschlossen und schreibe doch schon heute weiter. Wenn man so provoziert wird!

Du hast Recht. Ich hätte die Fußball-WM spielen sollen oder überhaupt Fußballer sein. Nur da kann ich sicher sein, dass mir keiner an die Wäsche will. Oder Schwimmer. Auch da hätte es für mich im letzten Jahr eine WM ohne Kontrollen gegeben. Spanischer Tennisstar wäre auch nicht schlecht gewesen. Dann hätte ich heute unbekümmert Wimbledon gewonnen. :unamused:
Aber so muss man sich weiter mit den frustrierten Ullrich-Fans herumschlagen, die einem grundlos anspucken.

Brüssel, 4.Juli 2010, 1.Etappe: Rotterdam-Brüssel, 223,5km

Cavendish -->:lol:

Heute war wieder Sonne in Rotterdam, wieder waren unglaublich viele Fans an der Strecke, die sich mit Trinkflaschen bewerfen ließen.
Es ging lange entlang der Küste, über Deiche links neben der Ebbe und über Brücken. Ich habe mich bequem hinten einsortiert und mich vom Feld ziehen lassen. Wenn ich mich mit was auskenne, dann ja wohl Wind! So stark war der heute aber nicht, was mir auch recht war. Die ersten 200km verliefen unspektakulär, bei meiner Pause in der Bar heute mittag wäre ich fast eingeschlafen, habe es dann aber doch noch rechtzeitig zurück ins Peloton geschafft, dank meines Superrades von Cancellara. Nach 120km habe ich das dann aber wegen eines Kurzschlusses auswechseln müssen und bin dann auf meinem Stahlzweirad weitergezuckelt.

Mein erster Tag im Peloton war ganz aufregend, ich habe allen Hallo gesagt und freundlich gewinkt. Neil Armstrong war etwas spacy drauf und noch jemand war mir feindlich gesinnt: Niki Terpstra (Milram) hat mich wild beschimpft heute im Feld. Gestern ging’s ihm noch gut, ist ein gutes CLM gefahren, aber heute hat er Fieber, gab er mir in äußerst nasaler Stimmlage zu verstehen und meinte dann, ich hätte ihn gestern im Ziel angeniest und voilà, c’est le bouquet. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, merke ich mir etwa, wen ich alles anniese? Beim Lenz habe ich mir Mühe gegeben, aber ich war nicht schnell genug, als er im Ziel vorbei kam.

Das Finale war ja dramatisch! Eigentlich wollte ich mir am Ende des Feldes ganz in Ruhe Brüssel angucken, mein Rückstand hätte keine Rolle gespielt, aber dann hielten auf einmal alle ein paar hundert Meter vor dem Ende an, nachdem zuvor Mark Cavendish („If I wanted to get shit small wins, I’d race shit small races.“) ein paar Leute ins Verderben gerissen hatte und danach etwa zehn Fahrer mitten auf der Zielgeraden gestürzt waren. Das muss ein ganz schönes Knäuel gewesen sein, ich habe es vorhin im Fernsehen gesehen. Fußballer hätten sich alle möglichen Verletzungen zugezogen, wenn sie so gefoult worden wären, aber diese Fahrer puzzelten ihre Räder raus und machten sich dann teils zu Fuß auf ins Ziel.

Mein erstes Tour-Ziel habe ich heute schon erreicht: Ein neues Rad! Etwa 30km vor Brüssel sah ich am Straßenrand den Freire, der einen platten Hinterreifen hatte. Muss er auch da langfahren, wo ich 2 Sekunden vorher eine Packung Reißzwecken verloren habe, die ich in den Tiefen meiner Trikottaschen gefunden hatte? Aber welch herrlicher Zufall nach meinen Überlegungen von heute Mittag, es war auch kein Tamkollege da, der ihn zurück ans Feld gefahren hat. Weil ich sowieso gerade hinterherhing, habe ich das übernommen. Wenn man das Kinn auf den Lenker stützt, kann man auch mit meinem rostigen Drahtesel schnell fahren. Fünf Minuten habe ich Gas gegeben und wir waren wieder im Feld. Aus dem Rabobank-Teamwagen bekam ich zum Dank eine Dose Cola - für mein Rad (den Trick kennt ihr, oder? Die Säure löst den Rost ab). Aber die Cola war gar nicht nötig. Im Ziel traf ich dann wieder auf den Unglücksraben, der kurz vor dem Ziel noch gestürzt war und der gerade sein Giant-Rad in den Grünstreifen warf und dann zeternd davonstapfte. Das nahm ich als Aufforderung, mich diesen Rades anzunehmen und da sind wir schon beim Happy End des Tages angekommen. Weil es in der 3-Kilometer-Zone zu diesem Massensturz gekommen ist, wurden alle mit der gleichen Zeit gewertet. Das ist sehr gut für mich und ich bin so nicht einmal Letzte gewesen.

Noch einmal Belgien und dann bin ich wieder in heimischen Gefilden.

Classement de l’étape

  1.  PETACCHI Alessandro  LAMPRE - FARNESE  	5h 09' 38"  	 
    
  2. RENSHAW Mark TEAM HTC - COLUMBIA 5h 09’ 38" + 00’ 00"
  3. HUSHOVD Thor CERVELO TEST TEAM 5h 09’ 38" + 00’ 00"
  4. AVONLEA AVONLEA 5h09’38’’ + 00’00’’
  5. WEGMANN Fabian TEAM MILRAM 5h 09’ 38" + 00’ 00"
  6. OROZ Juan José EUSKALTEL - EUSKADI 5h 09’ 38" + 00’ 00"

Classement

  1.  CANCELLARA Fabian  TEAM SAXO BANK  	5h 19' 38"  	 
    
  2. MARTIN Tony TEAM HTC - COLUMBIA 5h 19’ 48" + 00’ 10"
  3. MILLAR David GARMIN - TRANSITIONS 5h 19’ 58" + 00’ 20"
  4. PEREZ LEZAUN Alan EUSKALTEL - EUSKADI 5h 24’ 45" + 05’ 07"
  5. MURAVYEV Dmitriy TEAM RADIOSHACK 5h 25’ 18" + 05’ 40"
  6. AVONLEA AVONLEA 5h 26’ 38’’ + 07’ 00’’

irgendwie habe ich manchmal das gefühl, du hast in den niederlanden zu oft in den coffeeshops angehalten… :laughing:
aber das kann nicht sein, deine berichte sind so fesselnd, so nah… als sässe man auf deinem gepäckträger :sunglasses:

Tut mir leid, den habe ich ebenso abgeschraubt wie die Kelle am Lenker. In den Trikottaschen ist aber noch Platz, also wer mal mitfahren möchte… :laughing:

Der einzige der frustiert ist, ist der Ullebub selber. Muss zuschauen wie selbst unsere avonlea fahren darf ohne erwischt zu werden… und uns dabei dieselben Argumente auftischt die da heißen: 1. müsst ihr mir das nachweisen und 2. dopen doch all die anderen auch, also warum sollte ich die rote laterne freiwillig abgeben.

Trotzdem unser Herz gehört Avonlea. Unter 196 Ungedopten ist sie die No :heart:

Du bist doch frustriert. Ich werde schon noch herausfinden weshalb.
Und noch eine ganz unsatirische Bemerkung: Wenn noch eine weitere haltlose Anschludigung kommt, dann boykottiere ich meinen eigenen Blog. Darauf habe ich keine Lust. Du musst es ja nicht lesen, wenn du nicht willst. :unamused:

:astonished: Wer wird denn gleich in die Luft gehen… auf dem Fahrrad ist es doch noch erlaubt, das Rauchen :mrgreen:

Wollte nur mal kurz antesten ob das ansteckend ist dieses Credo des Peletons, das da alle einzuhalten haben und ansonsten drohen der Bannstrahl und die Hiebe der anderen :laughing: (siehe Sinkewitz und Jaksche u.a.)

Natürlich bin ich kein Spielverderber und lasse andere radlen oder daran glauben, dass es sich um Spüort handelt. Leben und leben lassen heißt es doch im Frankenländle und dennoch beim ersten Dopingfall werd ich mich natürlich doch wieder im Tourblock hier zurückmelden um glaubwürdig darauf zu bestehen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit und noch größeren Ehrenwort nur um einen Einzelfall handelt. Hoffen wir also in diesem Sinne auf eine saubere Tour :laughing:

Jetzt sei nicht so kleinlich und gönn dem Mädel die HB. :wink: Außerdem möchte ich das gerne auf den Champs Elyssées sehen… In der einen Hand den Champagner und in der anderen die Kippe.

Allez Avonlea!

… und wir winken aus den trikottaschen heraus…

Gut, ich werde mich nächste Woche zu dem Thema äußern. Ich muss mich erst noch im Pölotong umhören.

Weiter im Text.

Spa, 5.Juli 2010, 2.Etappe: Brüssel-Spa, 201km

Ausflug ins Grüne (nicht das Trikot)

Heute ging’s auf in die Ardennen. Das hat schon eine symbolische Bedeutung. Erst vor Kurzen zerbrach wieder einmal die belgische Regierung und das Land in Flandern und Wallonien. Gestern fuhren wir durch den flämischen Teil mit Ziel in Brüssel, der französischsprachigen Exklave, und heute ging es in den wallonischen Teil.
Die Etappe gestern war mir ganz gut bekommen. Das heißt, ich komme zu meiner ersten Festtstellung: Ich hasse Zeitfahren. Meine Erkältung verflüchtigt sich auch langsam, aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass gleich die nächste kommt. Dieses dunstige Ardennenwetter ist nicht besonders heilsam.
Je näher wir diesem Mittelgebirge kamen, desto dichter und tieferhängender wurden die Wolken. Die unglaublich grüne Landschaft lässt auch Rückschlüsse auf die übrigen 364 Tage zu, in denen ich gerade nicht hier auf dem Rad unterwegs bin.
Mit meinem schicken neuen Rad hängte ich mich wieder hinten ans Feld und beobachtete aus weiter Ferne die Ausreißversuche des Tages.
Auch immer hinten im Feld war der französische Straßenmeister anzutreffen. Das hat mich überrascht, der Ausreißerkönig Thomas Voeckler hätte auch auf und davon sein müssen. Ich habe ihn dann gefragt
„Hé, quelle mouche t’a piqué? Qu’est-ce que tu fais ici?“
Er schaut mich düster an, die Augenbrauen tief in die vom Regen aufgequollenen Augen gezogen:
„J’ai des flaques dans le casque. Va te pendre ailleurs!“
Gut, dann habe ich mich woanders aufgehängt. Aber ich verstehe seine schlechte Laune. Je weiter hinten man fährt, desto mehr Dreckwasser der anderen Räder bekommt man ab.
Auch sportlich gesehen hätten wir uns diese Etappe sparen können. Man hat einen Waffenstillstand im Klassement ausgehandelt und das kam so:

Das war ein Trubel auf der Abfahrt von der Côte de Stockeu, bei Kilometer 168! Es war glitischig und das Feld zu schnell, so wie immer zu Beginn der Tour. Als schlechte Abfahrerin bin ich natürlich ganz hinten gefahren und kam mir dann vor wie auf dem Walk of Fame. Sämtliche Favoriten haben sich da schlafen gelegt (se coucher=stürzen), den jungen Schleck hat es am schlimmsten getroffen. Ich bin im Slalom drumrum gefahren und traf wieder auf das Peloton, das schon wild am Diskutieren war. Rechts von mir formierte sich der eigentümlich verschworene rotgraue Block und ich konnte meinen Ohren nicht trauen: Lance Armstrong vom Team Radiohead plante jetzt eine Attacke, um die favorisierten Bruchpiloten schon vor den Alpen abzuhängen. Das ist unglaublich und ich dachte nur: Ok Computer, so nicht. Ich habe die noch verbliebenen Kapitäne, den Mann In Rainbows (Weltmeister Cadel Evans), in Gelb (s.o.) und das Kid A in Weiß (Tony Martin) in Kenntnis gesetzt und bin auch noch schnell zum Ausreißer Chavanel gepest um ihm Bescheid zu sagen, dass wir heute keine Wertung und geschlossen ins Ziel trudeln wollen. Allerdings hatte er mit der Sache nichts zu tun und sich seinen Sieg hart erkämpft. Das verstehe ich. Ich gab ihm als Proviant für die letzten Kilometer noch die Coladose von gestern und ließ mich zurück ins Feld fallen. I might be wrong, aber diese Armstrong-Nummer ging überhaupt nicht! Wir mussten etwas tun.

Wenn so viele Favoriten stürzen, muss man das Rennen abbrechen. Als ich noch Formel 1 fuhr, haben wir auch angehalten, wenn Schumacher, Button und Co in den Reifenstapel gefahren waren. Die Rennstrecke von Spa-Franchorchamps ist ja gleich nebenan.

Die Spa-Anlagen in meinem Etap-Hotel werde ich gleich mal testen und meine qualmenden Socken kühlen, bevor wir morgen eine Kopie von Paris-Roubaix fahren. Auf ins Sch’ti-Land! Nur so lustig wird das nicht. Man hat schon vorher ein Gemetzel erwartet, wenn über 190 über die Pavés hetzen. Ich glaube, ich werde morgen etwas von der Strecke abweichen…

Classement de l’étape

  1.  CHAVANEL Sylvain  QUICK STEP  	4h 40' 48"  	 
    
  2. BOUET Maxime AG2R LA MONDIALE 4h 44’ 44" + 03’ 56"
  3. WEGMANN Fabian TEAM MILRAM 4h 44’ 44" + 03’ 56"
  4. MC EWEN Robbie KATUSHA TEAM 4h 44’ 44" + 03’ 56"
  5. KNEES Christian TEAM MILRAM 4h 44’ 44" + 03’ 56"
  6. AVONLEA AVONLEA 4h 44’ 44’’ + 03’ 56"

Classement général

  1.  CHAVANEL Sylvain  	131  	QUICK STEP  	10h 01' 25"  	 
    
  2. CANCELLARA Fabian 13 TEAM SAXO BANK 10h 04’ 22" + 02’ 57"
  3. MARTIN Tony 115 TEAM HTC - COLUMBIA 10h 04’ 32" + 03’ 07"
  4. BRESCHEL Matti TEAM SAXO BANK
  5. KLIER Andreas CERVELO TEST TEAM
  6. AVONLEA AVONLEA