Die Leiden der Franzosen bei der Befreiung Frankreichs

modcristo: dieser Thread ist abgetrennt vom Normandie-Thread und behandelt und beginnt mit dem Artikel aus der Wochenzeitung Die Zeit über Le Havre…

http://www.zeit.de/2009/34/Le-Havre

Im Artikel wird erwähnt, dass die Einwohner nicht gut auf die Briten zu sprechen sind, angesichts dieses « unsinnigen » Bombardements. Das hör ich hier so zum ersten Mal. Kreuz und quer durch die Normandie, aber auch an anderen Orten Frankreichs erfährt man immer von den massiven Bombardements der Alliierten, die aber normalerweise nie negativ angemerkt werden, sondern immer als « Teilepisode » zur Erlangung der Freiheit. Andererseits muss die Bevölkerung ja heftig unter den Angriffen gelitten haben die man heutzutage als sogenannte « Kollateralschäden » und speziell im Irak und in Afghanistan als negative Auswüchse des Krieges anprangert…
Ist da in Frankreich wirklich jemals darüber diskutiert worden oder hat man diesen Preis der Befreiung ohne den Schmerz zu benennen akzeptiert ?

der krieg ist jetzt schon 60 jahre her und meine erfahrung ist,das viele franzosen nicht so richtig gewagt haben negatif über die allierten öffendlich zu sprechen.weil es waren ja schliesslich die befreier;
aber "en familie"wurde und wird schon davon gesprochen.ich kenne ein anderes beispiel.südlich von la rochelle liegt der badeort royan.das war ein grosser "wiederstandsort"der deutschen armée gegen die allierten.
fr.wikipedia.org/wiki/Histoire_de_Royan
ich kenne persönlich franzosen,die dieses inferno erlebt haben und auch sehr kritisch gegenüber den allierten sind.
einen sauberen krieg gbt es nicht…

den briten und us-amerikanern ging es ja auch nicht um die befreiung frankreichs, sondern um die zerstörung "nazi-"deutschlands.

waren die nazis zuerst als bollwerk gegen den kommunismus in russland erwünscht gewesen, ähnlich wie « der zauberlehrling » (ein gedicht), wuchsen sie zu einem allg. gegner brit. - amerik. weltpolitik.

da lag frankreich und italien auf dem weg.
und nach dem willen der briten und amis sollte frankreich sogar in vier teile zerschlagen werden und unter allierter kontrolle bleiben. zum glück waren die truppen um de gaulle und die resistance stark genug dies zu verhindern.

und ein beispiel für die ewige angst der briten, betreffs frankreich:
die im krieg zerstörte anlage der V3, südlich von calais, wurde jahre nach dem krieg von brit. pionieren nochmals gesprengt (aus sicherheitsgründen).

ergänzung in eigener sache:

natürlich haben die dt. truppen nichts in frankreich oder anderswo zu suchen gehabt. es wurden zahllose verbrechen im namen des dt. volkes begangen. das sollte alles auch nicht dabei vergessen oder hintenan gestellt werden.

und es ist richtig. es gibt keinen sauberen krieg. krieg ist immer ein vergehen an unschuldigen.

der rest eines „befreiungshafens“
in arromanches les bains

beim schwimmen dort, sollte man bei diesen restbeständen höllisch aufpassen, das die strömung einen nicht böse streiche spielt.

Ich denke genau wie edwin.
Die jüngere Generation, zB meine (bin 19), hat gar nichts gegen die Briten, ich habe sogar ein Jahr Anglistik studiert xD Aber die Generation, die den Krieg erlebt hat… das kann ich mir schon vorstellen, dass sie etwas nachträglich sind.
Ich mein… mir würde es auch nicht wirklich gefallen, wenn ich plötlich kein Haus mehr habe, weil genau meine « Befreier » es zerstört haben… Viele Havrais mussten dann in dreckigen Orten leben (in Gonfreville L’Orcher zb), wo die Lebensbedignungen sehr schlecht waren, und einige von diesen Häusern waren bis den 60ern besetzt… Leider habe ich sehr wenig über die Befreiung Le Havres gehört, da meine Grosseltern nicht in LH wohnten, aber einige Bekannten schon. Die Befreiung Le Havres ist mit der Befreiung Paris’ gar nicht zu vergleichen. Die Befreiung LHs war bitter, man war natürlich froh, dass die Nazis endlich raus waren, aber wie kann man sich richtig freuen, wenn man Obdachlos und hungrig ist.
Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Amerikaner LH gar nicht befreit haben, sondern die Kanadier und die Schotten.

das empire (also GB) schickte immer gerne seine kolonisten und vasallen in die „schmutzige“ schlacht. während die usa gerne in solchen fällen einheiten auswählte, in denen viele soldaten dienten, deren vorväter einmal aus afrika kamen.

so wurden auch schottische einheiten benutzt, um den „kleinen frieden“ im grossen krieg zu beenden.

oder falls euch der name gallipolli was sagt. da gibt es unzählige varianten zu.

ich bin auch erst nach dem krieg geboren worden. zum glück. aber ich setze mich sehr viel mit geschichte auseinander.

und das problem von nationalismus ist oft der verlust, den man in der gegenwart vorfindet. dann sucht man in der vergangenheit nach dingen, die „besser waren“. keine arbeit, keine aussicht auf einen ausbildungsplatz, eine schlechte rente etc., dann kommt leicht der spruch „früher war alles besser“. und wenn früher nicht alles besser war, dann lag das an den gastarbeitern, an den besetzern oder den befreiern, an den ausländern oder was anderes.

und da wir im augenblick wieder krisenstimmungen haben, ist doch nichts leichter, als wieder diesen alten kram aufzuwärmen.

ps. ein lieblingsschimpfwort von sogenannten "neu-"deutschen (türken, araber, afrikaner, russen etc) in unserer gegend ist „du nazi“, gefolgt von „motherfucker“, sobald etwas nicht so funktioniert, wie sie es sich wünschen.

aber hier geht es um die normandie. deshalb gehört das eben geschriebene in einen anderen thread.

so machen wir urlaub in der normandie. in jumieges.

Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Dass die Allierten nicht gerade verbreitet haben, was auch sie in Frankreich angerichtet haben ist doch klar.

Außerdem waren früher die Informationskanäle noch nicht derart ausgereift - hätte es Internet schon damals gegeben - die Leuten hätten sich beschwert.

Auch die massiven Bombardements der Allierten in Deutschland wären heute so nicht mehr machbar - viel zu viele zivile Todesopfer.

Leider Gottes lässt sich Krieg aber nur so gewinnen - weswegen ich auch glaube, dass die USA den Krieg im nahen Osten nicht entgültig gewinnen können.

Im Krieg war eben (gott sei dank) nur früher alles erlaubt.

Letzte Woche war ich in Oradour-sur-Glane und vor 2 Wochen in Nürnberg. Ich habe mich also neulich für dieses Thema interessiert…

1- Über die unsinnigen Bombardements. Die Nürnberger fragen sich, warum die ganze Altstadt zerstört wurde, und das Reichsparteitagsgelände verschont wurde…

2- Die Verbrechen der Allierten beschränkten sich leider nicht nur auf die Zerstörung von Städten. Tausende Französinnen wurden von englischen bzw amerikanischen Soldaten vergewaltigt. Nur sehr wenige Fälle wurden bestraft. Die meisten verschwiegen. Das gleiche gilt für die deutschen Frauen.

3- Der Süden wurde auch nicht verschont. Im Gegenteil. Aber sie haben nicht wegen der Alliierten gelitten, sondern der Deutschen… Während des Sommers 1944 haben die deutschen Soldaten sehr viel ermordet.
Die Liste hier, die ab 06.06.44 dramatisch länger wird… Von diesem Datum an hat Frankreich das erlebt, was nur im Osten üblich war.
Das bekannteste Ereignis ist wohl Oradour-sur-Glane, ca 20km westlich von Limoges. 642 Menschen wurden ermordet : die Männer erschossen, die Frauen und 200 Kinder in die Kirche eingesperrt und lebendig verbrannt. Das Dorf wurde ordentlich geplündert und niedergebrannt. www.oradour-souviens-toi.fr

Der Geschichteunterricht in Frankreich erwähnt diese dunkle Seite der Befreiung sehr wenig. Die Zerstörung von Städten wird als mal nécessaire vorgestellt, die Vergewaltigungen verschwiegen und die Grausamkeiten sehr bescheiden beschrieben. Ich glaube, man will Wert darauf legen, dass der Krieg vorbei war und das Land wieder frei. Der Preis dafür ist Nebensache. La liberté n’a pas de prix…

Wie wird das ganze in Deutschland unterrichtet ? Die Besatzung Frankreichs und die Ereignisse ab der Landung in der Normandie ?

Die Besatzung Frankreichs wird nicht behandelt. Die einzigen französischen Themen, die man im Geschichstunterricht noch macht, sind der Absolutismus und die französische Revolution, ansonsten gibt es in der deutschen Geschichte genug Themen, die man schon gar nicht mehr durchkriegt. Ganz viele Themen werden « augelagert », das heißt, man vertraut darauf, dass die Schüler dieses Thema durch die Medien oder durch Zuhause schon kennen. Beim Zweiten Weltkrieg ist das massiv so.
In meinem Jahrgang und in meinem Bundesland stand es zweimal auf dem Lehrplan, einmal in der sechsten Klasse (Alter: 11/12) und dann kurz in der 10 (15/16). In der 6. ging es nur darum, den Schrecken des Naziregimes zu vermitteln, wir haben einige Filme und einen Roman gelesen. Das war effektiv. In der 10. liegt der Fokus auf der Machtergreifung und auf der Politik, auf Strategien, weil man da Quellenarbeit lernt und nicht mehr Fakten.

Im Französischunterricht jedoch wird ausführlich die Rolle Frankreich zu der Zeit diskutiert, wir haben uns viel mit Literatur beschäftigt, außerdem mit Dokumenten zur Collaboration und zur Résistance. Ein Text zu Oradour-sur-Glane ist immer dabei (+ Tulle und Maillet), außerdem zu dem Schicksal der Frauen, die einen deutschen Soldaten liebten.
Wer allerdings in der Oberstufe kein Französisch mehr hatte, der wird in der Schule zu dem Thema ansonsten nichts erfahren haben.

Wenn es in Deutschland nicht behandelt wird, kann ich das durchaus verstehen, immerhin müsste man dann noch mehr Länder als nur Frankreich betrachten und dafür fehlt die Zeit und es geht im Geschichtsunterricht nicht allein um Faktenwissen. Dass das Thema in Frankreich aber so derart ausgegrenzt wird, ist ein Skandal. Das ist Frankreichs Geschichte und der Terror damals auch mit ihre Bürde (Collaboration).

ich bin eine generation vor avonlea,
erstens:in frankreich spricht man von debarquement en normandie.also ungefähr:strandung/endladung
ich habe in der schule von INVASION gelernt :open_mouth:
und schon gar nicht von den kriegsverbrechen der allierten und der kolaboration der franzosen mit dem nazi-regime…
das alles habe ich erst hier vor ort in meinem alltäglichen leben endtdeckt.
:wink:

Ich habe öfters erlebt, dass das Wort « Kolaboration » nach Mitterand eine ganz andere Wirkung hat. Für viele Franzosen ist sicher eine Welt zusammengebrochen, die sie sich vorher heile geredet haben. Wenn es ja vielleicht früher nochmal « einen Spruch » (1962 Taxi- Fahrer in Saint- Raphaël: « Ich befördere keine deutschen Schweine ») über uns gab, ich fahre ja schon seit 49 Jahren nach Frankreich, heute kommt da nicht mehr.

Ist die Besatzung Europas durch die deutsche Armee nicht deutsche Geschichte ? Oder ist die Geschichte Deutschlands nur das, was in den Staatsgrenzen geschehen ist ? :wink:

Ist dieses Thema (und die Geschichte Frankreichs allgemein) immer im frzunterricht behandelt, oder war es nur bei dir so ? In Österreich gehört Geschichte gar nicht zu Sprachunterricht… leider…

Wenn ich mich recht erinnere, war das bei mir ähnlich wie bei Avonlea.
Im Frz.-Unterricht in der Oberstufe wurde der Absolutismus besprochen als Hintergrund-Infos zu den Werken von Molière, La Fontaine, Racine…
Im Geschichts-Unterricht wurde in der MIttelstufe die französische Reolution behandelt. Der zweite Weltkrieg wurde dann (besonders in der Oberstufe) eher aus der politischen Sicht betrachtet: wie kam es zur Machtergreifung? Warum haben die anderen Staaten nichts unternommen? Was passierte nach der Kapitulation? (Verträge von Locarno, Rapallo…) Dazu dann Informationen rund um Konzentrationslager, ein Film über das Warschauer Ghetto. Über Kämpfe und Schlachten - egal auf welchem Territorium - wurde, soweit ich mich erinnern kann, fast gar nicht gesprochen. Dabei verlief die Frontlinie lange Zeit durch Aachen und Reste des Westwalls sind immer noch an mehreren Stellen zu sehen. Wenn überhaupt waren es eher Daten, die man auswendig gelernt hat (« Einmarsch in Polen », « Landung der Alliierten in der Normandie »…) Begriffe wie « Vichy-Regierung » oder « Kollaboration » bzw. « Résistance » sind gar nicht gefallen. Damit erging es Frankreich aber nicht anders als anderen Ländern wie z.B. Italien.

Bei uns gehörte Geschichte auch nicht zum Sprachunterricht.
Wir haben ca. in der 9. Klasse angefangen über das Naziregime zu sprechen und das hat bis zur Oberstufe nicht aufgehört. Wir haben Filme zum Thema gesehen, die man kaum ertragen konnte und stundenlang diskutiert. Alles was vorher passiert wurde von der 5. bis zur 8. Klasse abgehandelt. Ich hätte gerne mehr über die französische Geschichte gehört, aber das gehört leider nicht zum Lehrplan, was auch nicht behandelt wurde waren die Verbrechen anderen Länder.

zu meinem glück hatte ich einen geschichtslehrer, der uns sehr lebendig und aufrüttelnd den unterrichtsstoff näher brachte.

angefangen von den ersten grenzziehungen zwischen franken und « deutschen ». über religionskriege und und und.
über absolutismus, die revolution und ihre morde, aber auch die freiheiten, die sie brachte. napoleon und das damalige europa. ausgiebig der wiener kongress und die ersten demokratischen versuche. der erste und der zweite weltkrieg und die dazwischenliegende zeit, alles war thema.

aber es waren auch die siebziger jahre, da hinterfragte man alles sehr genau, da man eigentlich in jeder familie jemanden finden konnte, der aus der zeit ab dem grossen krieg noch berichten konnte.

vorletztes jahr traf ich ein mädel das gerade abitur machte und die fragte uns, wer denn dieser « göbels » sei, denn den namen hätte sie gerade zum ersten mal gehört. der name göring war ebenso unbekannt.

es kommt also drauf an, was einem unterrichtet wird, was man selbst erfahren will.

deshalb reise ich gerne. ich fahre an die orte, versuche in die geschichte « einzutauchen ». deshalb war ich, um es auf frankreich hier zu begrenzen, schon in verdun, in der normandie, in vimy, lens, an der somme etc. ich habe mir bücher besorgt (in drei verschiedenen sprachen) aus den zeiten und welche aus heutiger sicht und bin immer noch dabei, dazu zu lernen.

und deshalb konnte ich immer wieder feststellen, das bei spontanen gesprächen vor ort immer wieder anerkennung vorhanden war, das ich die geschichte beider beteiligten seiten kannte. und ich glaube auch aus diesem grunde habe ich noch nie negatives zu meiner herkunft gehört.

Doch, es ist auch deutsche Geschichte, aber es werden keine „Details“ behandelt, die vorranging französisch, spanisch oder transilvanisch sind. Natürlich haben wir erfahren, dass die Alliierten in Frankreich gelandet sind.

„Immer“ kann man in Deutschland nie sagen, weil die Bundesländer für Bildung zuständig sind :unamused:
Dass es in unserem Jahrgang gerade im Lehrplan der Oberstufe stand, ist sicher ein Glücksfall gewesen. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte man sich aber trotzdem auf irgendeine Art mit dem Thema befasst, hauptsächlich durch eine Lektüre. Joseph Joffo wird in fast jeder Schule gelesen oder zumindest vorgestellt und da erfährt man schon Einiges über den Krieg in Frankreich.
Weil du ja Lehrer werden willst (oder schon bist? ) gebe ich dir mal den Link zu den Lehrplänen in Niedersachsen. Mein Jahrgang war 2008, gleich der erste Schwerpunkt hat mit dem Krieg zu tun.