Schwere politische Unruhen in den frz. Überseegebieten.

Seit einigen Wochen wird in den frz.Überseegebieten (Martinique und Guadeloupe) gestreikt. Einfache Leute und Gewerkschaften demonstrieren und verlangen Lohnerhöhungen. Kommt nicht in Frage, antwortet Sarkozy, und mittlerweile spitzt sich die politische und soziale Lage zu. Polizeikräfte mit Antidemonstranten- Ausrüstung werden eingesetzt.Die Wirtschaft steht völlig im Leerlauf und Lebensmittel fangen langsam an, in den Geschäften und Supermärkten zu mangeln.
In Martinique, z.B, besitzen die sog.« Beké » (Nachfahren der weißen Kolonisatoren) ungefähr 90% des wirtschaftlichen Reichtums und sind doch nur 2% der Bevölkerung!

http://www.euronews.net/de/article/13/02/2009/france-fears-overseas-protests-will-hit-mainland/

http://bazonline.ch/ausland/europa/Tumult-im-franzoesischen-Ferienparadies/story/17068586

Und La Réunion, tausende Kilometer entfernt, rüstet auch schon zum Streik!

Sarkozy hat versprochen, er werde die (hochrentablen) Monopole der Béké-Wirtschaft zerschlagen.

Ob er Wort hält?

Für unsere nicht-französische Mitglieder : in diesen Gebieten Frankreichs ist das Leben wesentlich teuerer als in métropole (dem europäischen Teil des Landes), weil sehr viel importiert werden muss.
Außerdem ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch (laut wikipedia : 21.2% in Martinique, 27.8 im Jahre 1998 in Guadeloupe)

Was mich in diesem Streik chockiert hat, ist, dass der Staatsekretär fûr die Überseeterritorien Yves Jégo erst 13 Tage nach dem Beginn des Generalstreiks nach Guadeloupe geflogen ist… Nach irgendeiner kleinen Demonstration in Paris braucht man nicht so lange, um die Gewerkschaften im Elysée-Palast zu empfangen…

Danke, mislep für die ergänzenden Informationen !
:wink:

Letzte Nacht geriet der bisher vollständig friedliche Protest der Bevölkerung gegen « das teure Leben » tatsächlich ausser Kontrolle: Ein oder mehrere Geschäfte wurden in Brand gesteckt, Barrikaden wurden errichtet, es gab Zusammenstösse mit den Polizeikräften. :frowning:

Bei uns liest man nichts davon in den Zeitungen.

Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht viel über die französischen Überseegebiete. Gibt es da irgendwelche Rohstoffe oder andere Wirtschaftsgrundlagen, von denen die Einheimischen selbständig leben könnten oder sind sie abhängig von der Unterstützung des Mutterlandes?

@tessi:es geht dabei nur um einfluss und weltpolitik
ich bin in den jahren von unten bis oben durch die hirachie
gelaufen,arbeiter,meister,manager…im grundsatz mag ich die französische streikmentalität,aber oft machen sie viel lärm um nichts :frowning: die resultate sind oft mager,die skandinavier haben da wirklich längen voraus :wink:
und ich hoffe das die dom,tom jetzt mal bis zum ende durchhalten :top:

Hier was man über die frz.Überseegebiete wissen sollte:

:wink:

Man könnte noch hinzufügen, dass die beiden Karibikgebiete Guadeloupe und Martinique wirtschaftlich sehr schwach dastehen. Einzig der Tourismus ist eine vielversprechende Einnahmequelle (der nun seit einem Monat flach liegt…).

Die Bananen- und Zuckerrohrkulturen sind in der Krise. Ein grosser Teil der Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter wird tatsächlich direkt von Frankreich eingeflogen - das erklärt zum Teil, wie Mislep schreibt, die hohen Preise. Ein anderer Teil dürfte diese überdauernde « koloniale » Struktur sein, mit der weissen Oberschicht, die praktsich die gesamte Wirtschaft kontrolliert. Das spielt offenbar auch eine wichtige Rolle in dem Konflikt jetzt, das Gefühl der kreolischen Bevölkerungsmehrheit, die von den Sklaven abstammt, gegenüber dieser weissen Oberschicht benachteiligt zu sein.

Finanziell hängen die Überseegebiete, die wie franzöische Départements verwaltet werden, stark von Paris ab. Es gibt Transferzahlungen in Milliardenhöhe, zum Teil auch aus der europäsichen Gemeinschaftskasse. Doch nicht all das Fördergeld scheint tatsächlich bei der Bevölkerung anzukommen.

Die Regieurng in Paris kritisiert inzwischen selbst die von michelmau beschriebene Béké-Wirtschaft. Da gibts offenbar Monopole, wo viel Geld hängen bleibt. Vor allem der Treibstoffhandel wird immer wieder als « Dunkelzone » genannt.

Es gab übrigens in dieser zweiten Nacht mit schweren Zusammenstössen ein erstes Todesopfer. Ein Passant wurde - nach allgemeiner Darstellung - von einem randalierenden Jugendlichen erschossen.

Besonders deutlich ist es, wenn man die heutigen Reportagen am frz Fernseher sieht… Die Bevölkerung auf der Straße ist schwarz, aber die Filialleiter eines Supermarkts oder irgendeines Geschäfts und Hoteldirektor, die interwiewt werden, sind immer weiß… :unamused:

Am 6. Februar hat der Fernsehsender „Canal +“ eine Reportage gezeigt mit dem Titel: „Die letzten Herren von Martinique.“
In der Reportage konnte man einen 72jährigen vermögenden und einflußreichen Mann der Béké-Gemeinschaft namens Alain Huyghes-Despointes folgendes erklären hören:

Ich versuch’s ins Deutsche zu übersetzen:

„Historiker überschätzen die Probleme ein bißchen. Sie reden hauptsächlich von den schlechten Seiten der Sklaverei, aber es hat auch gute Seiten gegeben, insofern bin ich mit ihnen nicht einverstanden.
Es hat Kolonisten gegeben, die zu ihren Sklaven sehr menschlich waren, sie freigelassen und ihnen die Möglichkeit gegeben haben, Dinge zu haben, einen Beruf.
Der Schwarze ist wie ein Kind. Ist man mit ihm gerecht, so bekommt man von ihm alles , was man will.
Die Besten sind wir, die Békés, die Nachfahren der europäischen Weißen, die sich als reine Rasse vermehrt haben.
Wenn ich Mischlingsfamilien sehe, sagen wir schwarz und weiß, stammen die Kinder aus verschiedenen Farben.Manche haben Haare wie die meinen, andere haben Kraushaar und verschiedene Hautfarben in derselben Familie. Ich finde das nich gut.Wir haben unsere Rasse rein erhalten wollen.“

Erinnert Euch so ein Gerede nicht an die südafrikanische apartheid?

Viele Bürger auf der Insel Martinique haben individuell gegen den Mann Anklage erstattet wegen "Apologie de crime contre l’humanité= Verteidigung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit (?) und "incitation à la haine raciale = Rassenhetze (?)

:wink:

Und auch die Vertreter des Zentralstaats, die man jetzt am Fernsehen sieht, sind alle weiss: Der Prefekt, der leitende Staatsanwalt, der Hauptmann der Gendarmerie… :frowning:

@michelmau:

  • die deutsche Rechtssprache kennt soviel ich weiss die Begriffe Billigung, Leugnung, Verherrlichung und Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit etc…

  • Anstiftung zum Rassenhass: bin mir nicht sicher, ob der Straftatbestand in diesen Worten im deutschen Recht erfasst ist. Aber der Begriff ist geläufig zumindest als die übliche Übersetzung der entsprechenden ausländischen Strafnorm.

Gestern in den Nachrichten gehört : die 4 regionen Europas, in denen der Arbeitslosigkeitsrat am höchten ist, sind die 4 französischen Überseeregionen…
Und noch über Arbeitslosigkeit : unter den -25jährigen sind in Martinique 48% arbeitslos… 55% in Guadeloupe und 59 in la Réunion…