Albert Camus

Inwiefern?

Ist das Leben an sich absurd?
Ist die Liebe absurd?
Sind die Produktionsverhältnisse absurd?
Ist das Schulsystem absurd?

Absurdität steckt ja als Eigenschaft in den Dingen und ist keine Qualität an sich. :unamused:

Es geht doch um das Leben. Steht im Text oben.

Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass Meursault Energie aufwendet und bewusst gegen das Absurde revoltiert. Mir ist sein Desinteresse an seinen Mitmenschen und die Unfähigkeit zu Mitgefühl einfach sehr fremd und auch unsympatisch.

:open_mouth: Ooh Man sollte immer von oben nach unten lesen. :smiley:

Du hast wohl recht. Meursault revoltiert anders als Sysiphos. Aber eine gewisse Revolte ist erkennbar, am Ende.
Die Revolte gegen das Absurde kann nur dann stattfinden, wenn man sich der Absurdität des Lebens bewusst ist. Deshalb erscheint Meursault auch fast bis ganz zum Schluss als gleichgültig und auch ernergielos. Er fängt erst an sich aufzulehnen, als es schon zu spät ist, nämlich nach dem Todesurteil. Von da an wirkt er sehr ausgeglichen, er denkt an das Leben draußen und an die Schönheit eines sonnigen Abends, aber es ist schon zu spät. Die Revolte zeigt sich im letzten Satz: „Pour que tout soit consommé, pour que je me sente moins seul, il me restait à souhaiter qu’il y ait beaucoup de spectateurs le jour de mon exécution et qu’ils m’accuueillent avec des cris de haine.“

Meine kleine Frage zur Revolte gegen die Absurdität, die mir bis hierher sehr abstrakt erscheint:
Könnte diese Revolte nicht auch rechtfertigen Luxuswagen in Berlin oder HH anzuzünden. Weil irgendwie ist es schon absurd, dass in Zeiten der Krise gerade der Finanzmärkte die dicken Autos von sich aus nicht weniger werden :wink:

Du Scherzkeks.

OK ich polemisiere vielleicht ein bisserl:wink:
Stammt aber nicht von Camus der ~ Spruch: Ich empöre mich (rebelliere) also bin ich ? Sozusagen ein Teil des Fundaments von 68? Das sich auch in folgender Parole niederschlägt: Wir sich nicht wehrt, der lebt verkehrt :sunglasses:

Camus unterscheidet aber Revolte von Revolution.
Revolutionäre wollen herrschen, sie wollen keine Einheit schaffen, sondern Totalitarismus. Revolution hat mit Nihilismus zu tun. Revolte hingegen ist gewaltlos. (Letzter Satz des Essais « Révolte et Révolution »: « Leben um Leben zu lassen um zu schaffen was wir sind. »).
Eine Revolte setzt Grenzen und zeigt sich gleichzeitig auf. Der revoltierende Mensch muss dieses Maß erkennen und nicht vom Absoluten ausgehen, sondern sich an der Wirklichkeit orientieren. Das führt dann zur Idee hin und nicht andersrum.

In 68 ging es doch auch sehr um extrem linkes Denken und vor allem Sartre hat sich hinter einen Massenmörder wie Stalin gestellt nur um gegen Faschismus zu sein. In der Zeit hat sich Camus deshalb auch von ihm abgewandt, weil der humanistische Gedanke, den die Revolte laut Camus in sich trägt, verloren gegangen ist hinter ideologischer Verblendung. Bei Revolte geht es um Wahrheit, um Gemeinschaft und um Respekt vor dem Leben der anderen, so absurd und sinnlos es auch sein mag. Die Absurdität des Lebens betrifft aber den einzelnen und daher hat kein anderer ein Recht darauf, über das Leben der anderen zu entscheiden. Das steckt in dem « Je me révolte, donc nous sommes. »

:open_mouth: Mich wundert, dass mich bisher keiner korrigiert hat. Natürlich war Camus 1968 schon tot und Stalin war auch eher. Außer der historischen Reihenfolge dürfte der Rest aber stimmen :wink:

Ein bisschen viel Schwarz und Weiß find ich in dieser Schilderung.

Die Revolution als à priori schä(n)dlich darzustellen ist wenig logisch, da doch gerade die Französische Revolution angesichts ihrer Bedeutung für die Freiheit des Individiums - ein Anspruch den auch du hier ganz hoch hängst - von entscheidender Bedeutung war. Das Revolutionen gewalttätig sein können ergibt sich zwangsweise daraus, das sich derjenige wehrt, der durch die Umwälzung seine Macht und Einfluss zu verlieren droht. Muss aber nicht sein. Wenn ich nur an den Erich denke und wie er seine DDR mit Geschenkpapier und Schleifchen übergeben hat. (Ok es war eher Packpapier und Paketschnur :wink: )

Revolte steht nicht konträr zu Revolution. Alleine schon deswegen weil Revolte an sich nichts ändert sondern nur auf etwas hinweist, das evtl geändert werden sollte. Auch lässt sich Revolte nicht à priori als gewaltfrei auszeichnen, alleine schon aufgrund der Tatsache, dass der Gewaltbegriff kein absoluter ist; Wenn du dich etwa in Gorleben vor einen Castorbehälter setzt, dann wird dir das persönlich als friedlicher Widerstand erscheinen, dem Staatsanwalt hingegen als Gewaltanwendung in Form von Nötigung (eines Kastorbehälters :unamused: )

Das kling alles sehr sehr schön. Drum würd mir schon eine konkretes Beispiel wünschen. Wie sieht dieser gesellschaftliche Ansatz aus der sich durch das Rebellieren des Einzelnen (je) zum Ganzes (nous) fügt

Weil Ok es ehrt das Ideal, doch der Mensch ist ein anderer. Oder wie Brecht schon zurecht feststellte: „Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral“. Will heißen so absurd wie das Leben erscheint und so sehr es dem Menschen möglich ist sein Leben in die Hand zu nehmen, es bleibt ihm immer eine Ringen um Existenz.

So kenne ich die meisten Humanisten als gut versichert gegen alle Absurditäten des Lebens, wohl genährt mit Familie als Trutzburg und einem Einkommen, das es ihm erlaubt sich ein idealistisches Weltbild zu leisten

soso du wolltest uns also hinters Licht führen :neutral_face:

L’étranger hat mir auch weniger gefallen, La Chute und La Peste doch sehr. Sein Stück Caligula habe ich auch mehrmals gesehen, immer gerne.

Moment! Wenn Revolte und Revolution neu definiert werden, dann gelten auch die alten Bezeichnungen nicht mehr. Ich habe mich nicht getraut die Dozentin zu fragen, aber ich verstehe aus diesen neuen Definitionen, dass die frz.Revoltution dann eigentlich eine Revolte wäre. Zumindest bis zu dem Punkt, als sie anfing ihre Kinder aufzufressen.

Dass dann auch Gewalt unterschiedliche Definitionen haben kann, ist klar. Aber Castortransporte nach Gorleben hatte Camus noch nicht im Programm. :slight_smile:

Zweifellos der beste Autor aller Zeiten!!

Wir haben « L’étranger » und « La Peste » in der Schule im Franz-LK gelesen, ich hab’s auch beides gerne gelesen.

Für die « l’Etranger »-Fans: es ist schon eine Weile (oktober 2013 in Algerien; Mai 2014 in Frankreich) ein frzsprachiger Roman von Kamel Daoud erschienen, der vom Camus’ bekanntestes Werk inspiriert wurde. « Meurseault, contre-enquête » geht von der Tatsache aus, dass der ermordete Araber in Camus’ Roman gar keinen Namen hat, obwohl er 25 Mal erwähnt wird. Ein halbes Jahrhundert später erzählt der kleine Bruder vom « Araber » über die Identität des Mordopfers, und dabei über die Identität Algeriens (Kolonialzeit, Religion, Gesellschaft usw.)

Ich konnte das Buch noch nich lesen, aber werde ich bestimmt tun. Falls jemand es schon gelesen hat, ich bin neugierig über persönliche Meinungen.

Das klingt interessant. Ich mag, wenn jemand die Fantasiewelt eines anderen erweitert.

Lecker, lecker!!! Diese kurze Darstellung des Romans hat mir tatsächlich den Mund wässrig gemacht.
Außerdem hat der Verlag « Actes Sud » auch viele deutschen Schriftsteller in französischsprachigen Ländern bekannt gemacht.
Dieses unterstehende Link des Verlags schlägt auch eine französische Leseprobe des Romans vor.
http://www.actes-sud.fr/kamel-daoud
Hoffentlich wird es bald ins Deutsche übersetzt werden!!!
Indem ich weitere Details über den Autor und das Buch gesucht hatte, habe ich leider gelesen, Kamel Daoud ist mit Tod gedroht worden :frowning:
https://fr.news.yahoo.com/kamel-daoud-finaliste-prix-goncourt-menacé-mort-après-105921345.html