Die aktuellen politischen Gesichter Frankreichs

Wenn es um die französische Politik geht, dann fällt hier im Forum zwangsweise meist nur der Name Sarkozy. Das derzeitige politische Aushängeschild Frankreichs unter dem sich auch « andere Rheinseite » jeder etwas vorstellen kann, vom Kopf bis zu den politischen und privaten Schlagzeilen.

Hinter Sarkozy steckt natürlich auch ein politisches System, das hier in der Konsequenz genauso funktioniert wie in D, das aber was die Machtausübung betrifft anders strukturiert ist (hat nicht der Kollege nebenstelle bereits darüber Auskunft gegeben ? - ansonsten wärs mal opportun das nachzuholen).

Mir geht es beim Vorschlag dieses neuen Threads aber weniger um die Strukturen, als vielmehr um die Personen, die in Frankreich Politik machen, sozusagen um die politischen Gesichter Frankreichs, die in D meist zwangläufig großzügig unterschlagen werden, die aber Gegenwart und Zukunft des Landes mehr oder weniger entscheidend (mit)bestimmen.

Das alles natürlich auch mit der Perspektive der im Frühjahr 2012 anstehenden Präsidentschaftswahlen, wofür sich gerade die verschiedenen Lager neu formieren und langsam aber sicher nach ihren Kandidaten Ausschau halten.

Wer also Lust hat uns hier das eine oder andere (für ihn) positive oder negative Gesicht kurz zu präsentieren der sei herzlich eingeladen. Ich hoffe vor allem, dass die Insider ein Interesse verspüren uns ein bisschen über die aktuellen franz. Politikgesichter aufzuklären…


scherz :mrgreen:
[size=59]bin schon weg[/size]

scherz beiseite…
die,äh,wie heiss das noch auf deutsch??? :blush:
secrètaire nationale,der französischen grünen: Cécile Duflot
die "neue "generation der partei europe écologie les verts.sehr symphatisch und auch präzise/kompetent.
im gegensatz zu den anderen jungen clonen im französischen parteien system.
fr.wikipedia.org/wiki/C%C3%A9cile_Duflot

Jean-Louis BORLOO ist knatschig, dass er nicht Premier wurde, und ist aus dem Kabinett Sarko ausgestiegen (worden?). Könnte sich in nächster Zeit als Präsidentschaftskandidat profilieren (wollen?).

Eben wenn da nicht jede Menge Taktik dahintersteckt, um sich selbst zu positionieren. Um dann vielleicht - chancenlos wie er selber ist auf den Gewinn des Präsidentenamtes - ein mehr an Einfluss zu erhaschen. Ansonsten kann ich einer Kandidatur Borloos wohl kaum ernsthaften Sinn zuschreiben auf einen Einzug in den Élysée.

Ist das ein französischer Guido oder sind die „Liberalen“ in F auf anderem Geläuf tätig ?

Borloo gehört zu den sog. « radicaux », die keineswegs « Radikale » sind wie im modernen dt. Sprachgebrauch.
Die « parti radical » spaltete sich in zwei Lager :die « radicaux de gauche »(nichts zu tun mit Linksradikalen) und die « radicaux ». Borloo gehört also zu den letzteren.Der Ruf ein « golden boy » zu sein hängt ihm an.
:wink:

Meine schon lange Lieblingspolitikerin : Martine Aubry :smiley:
Sie war zw 1997 und 2002 Arbeitsministerin und hatte große Arbeit geleistet : die umstrittenen « 35 heures », emplois jeunes, CMU usw. Zu dieser Zeit war die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, und sie hat das geschafft, das Defizit der Sécu zu decken.
Nach der sozialistischen Niederlage 2002 zog sie sich in Lille zurück. Sie ist immer noch Bürgermeisterin.
Seit 2008 ist sie Chefin der Sozialisten und mögliche Präsidentin Frankreichs ab 2012.

Sie gilt als strenge und autoritäre Frau (aber ich glaube, dass eine Frau so sein muss, um sich in der Politik durchzusetzen). Politisch steht sie deutlich links und scheint, ihren Ideen sehr treu zu sein, sie hat einen « sozialen » Ruf. Andere Vorteile : sie ist, was ihr Privatleben betrifft, sehr diskret und gar nicht bling-bling. Und das brauchen die Franzosen, nach 5 Jahren Sarkozy… :smiley:

Man kann immer debattieren über ihre Bilanz in den verschiedenen Ämtern, aber unumstritten bleibt (glaube ich) die Tatsache, dass sie handelt und versucht, Dinge zu ändern. Sie bleibt mit den « 35heures » sehr verbunden. Ich glaube, dass die UMPer diese Maßnahme immer wieder dämonisieren, weil sie Aubry für sehr gefährlich halten. Dadurch wollen sie sie (und die ganze PS) schwächen und für 2012 beseitigen.

Außerdem ist sie die Tochter von Jacques Delors, ehemaligem Finanzminister Frankreichs (1981-1984) und Präsidenten der europäischen Kommission (1985-1995).

Ich achte die Dame ja auch sehr, schon weil mir nichts mehr auf den Keks geht als die Unterwerfung des Inhalts unter die Form, bzw, den Glitter bzw die persönliche Ambition (à la Ségo).
Aber

Zu dieser Zeit (es war Hochkonjunktur) ging die Arbeitslosigkeit überall zurück. Wieviel die 35 Stunden dazu beigetragen haben ist doch sehr umstritten. Und ob das nachhaltige Arbeitsmarktpolitik ist, vom Staat bezahlte emplois jeunes einzuführen, ist ebenfalls fraglich. Man kann immerhin argumentieren, es war brauchbare Sozialpolitik (wenn auch sehr teure), denn die emplois jeunes gaben vielen perspektivenlosen Jungen einen ersten konkreten Kontakt mit der Arbeitswelt.

Im Welt Online habe ich gerade ein Bericht gelesen, in dem äußerte sich Alain Caparros,Vorstand der Rewe Group,sich kritisch über sein Heimatland :
Zitat:
« Das Land sei nahezu unregierbar geworden.Frankreich träumt von einer Kanzlerin wie Angela Merkel »
Nun meine Frage:Hättet ihr in euren « Eiern » noch ein Plätzchen frei? :smiley:

Genau das höre ich seit zwei Jahren von sämtlichten französischen Dozenten an der Uni. Alle, wirklich alle haben gesagt, wir sollten uns glücklich schätzen, dass wir Frau Merkel als Kanzlerin haben und nicht den Sarkozy als Präsidenten wie die Franzosen. Und das heißt überhaupt nicht, dass die alle konservativ eingestellt sind. Im Ausland ist Angela Merkel hoch geschätzt (Teflon made in Germany!) und wenn man Sarkozy als Staatsoberhaupt hat, dann kann man nur die Nachbarstaaten um ihre Regierung beneiden.
Ich hätte trotzdem lieber einen anderen Kanzler. Aber ich sehe ein, dass man Cholera heutzutage überleben kann.

[size=75]An alle Lehrer hier: Mir ist bewusst, dass in Deutschland der Bundespräsident formal das Staatsoberhaupt ist.[/size]

Wenn wir bei der PS bleiben, können wir noch 3 Gruppen von Politikern unterscheiden, die verhältnismässig einflussreich sind :

  • die éléphants. Alte, erfahrene, wichtige Politiker. Dazu zählen Dominique Strauss-Kahn (49 geboren, 97-99 Wirtschafts- und Finanzminister, seit 2007 Präsident des Internationalen Währungsfonds), Laurent Fabius (46 geboren, 84-86 Premier Minister, 88-89 und 97-00 Präsident der Assemblée nationale), François Hollande (54 geboren, 97-08 erster Sekretär der PS), Pierre Moscovici (57 geboren, 97-02 Europaminister). Sie sind alle mögliche Kandidaten für 2011 (innerparteiliche Wahl für den Kandidat in der Präsidentschaftswahl 2012), daher regelmässig in den Medien zu sehen.

  • die jeunes lions (Ausdruck als Opposition zu den Elephanten ^^), junge, aktive und ehrgeizige Politiker. Arnaud Montebourg (62 geboren, Abgeordnete), Manuel Valls (auch 62 geboren und auch Abgeordnete), Benoît Hamon (67 geboren, Pressesprecher der PS, unterstützt Aubry), Vincent Peillon (60 geboren, Europaabgeordnete, unterstützt Royal). Auch wenn sie keine Chance haben, sind sie mögliche Kandidate für 2011, um die Partei zu bewegen und um eine Bühne für ihre Ideen zu haben

  • die barons locaux, Politiker, die in der lokalen Politik bleiben, die aber durch eine lange Amtszeit, oder Mangel an Konkurrenz so wichtig geworden sind, dass die PS in ihrem Wahlkreis ohne sie nichts machen kann. Ab und zu mischen sich in die Nationalpolitik ein. Das beste Beispiel war der verstorbene Georges Frêche. Bertrand Delanoë (50 geboren, seit 01 pariser Bürgermeister), Gérard Colomb (47 geboren, seit 01 lyoner Bürgermeister), Jean-Paul Huchon (46 geboren, seit 98 Präsident der Ile-de-France). Jean-Marc Ayrault (50 geboren, seit 89 Bürgermeister von Nantes, seit 97 Chef der PS-Fraktion im Parlament). Andere gibt es sicher auch in anderen Regionen, aber da muss man die Einheimischen fragen.

Frauen gibt es natürlich auch, aber sind nicht einfach zu klassifizieren… Martine Aubry wurde schon erwähnt. Ségolène Royal kennt mittlerweile jeder… Aurélie Filippetti (73 geboren, ehemalige Grüne, Abgeordnete und Pressesprecherin der PS-Fraktion im Parlament, unterstützt Royal)

Mir ist in der letzten Woche der genannte Manuel Valls aufgefallen. Er ist wohl ganz rechts direkt gegenüber von Aubry zu positionieren.

Vater: spanischer Maler, Mutter: Lehrerin aus dem Tessin; Ehefrau: Violistin; geboren in Barcelona; seit 1982 Französischer Bürger; studierter Historiker, Verfasser meherer Bücher - bezeichnet er sich selbst als Blairist, der für mehr « Eigenverantwortung der Bürger » eintritt. Ein Neosozialist, der den Begriff « Sozialismus » dennoch gerne aus dem Parteiprogramm streichen lassen würde. Aubry hat ihn in einem offenen Brief aufgefordert aus der PS auszutreten.

Dieser Woche hat er erklärt, die PS-Institution 35-Stunden-Wochen « entriegeln (déverrouiller) » zu wollen, was wohl nichts anderes heißt als die Regelung zu « lockern ». War das der endgültige « Beginn des Vorwahlkampfes » Wem will er damit in die Hände spielen ? Sich ? Royal ? Jedenfalls fordert ihn bereits der politische Gegner auf, doch die Seite zu wechseln (so wie ihm Sarkozy wohl schon einmal angeboten hat in sein Regierungsteam einzusteigen)

Die Sozialisten haben nun ihre 35-Stunden-Wochen-Debatte, die sie schon gar nicht parteiintern haben wollen und in der UMP fühlt sich mancher bereits aufgefordert die Debatte aufzunehmen. Sarkozy soll ja eher abwiegeln und seine Truppen zurückpfeiffen bei solchen Diskussionen. Klar, er geht als Präsident in den Wahlkampf und kann sich solche Debatten für den eigentlichen Wahltermin aufheben.

Wir haben viel von den Linkspolitikern geredet, also könnten wir jetzt rechts auch schauen, was los ist.

Nachdem die UMP an der Macht ist, gibt es natürlich viele PolitikerInnen aus der Partei, die man regelmässig in den Medien trifft.
Vielleicht nur die wichtigsten in der Regierung :

  • François Fillon, Premier ministre seit 2007. 54 geboren. Typische politische Laufbahn : Bürgermeister einer Kleinstadt, Abgeordnete des Wahlkreises und sénateur, Mitglied und Vorsitzender des Rats des Départements, und dann gleichfalls auf Regionebene. Ein paar Mal Minister (Arbeitsminister, Unterrichtsminister u a).

  • Alain Juppé, seit November 2010 Verteidigungsminister. 45 geboren. Bürgermeister von Bordeaux (immer noch im Amt). Schon sehr lange in der Politik. 95-97 war er schon Premier ministre. Gehört zu den treuen Anhängern Chiracs. Hat schon einige Probleme mit der Justiz gehabt…

  • Michèle Alliot-Marie (MAM abgekürzt), seit November 2010 Außenministerin. 46 geboren, auch Anhängerin Chiracs. Zuerst in der lokalen Politik in Baskenland. 99-02 letzte Vorsitzende des RPR (vor der Gründung der UMP). Seit 2002 ununterbrochen in der Regierung, immer im wichtigen Ämtern (sogenannte ministères régaliens) : Verteidigunsministerin (02-07, erste Frau in Europa in diesem Amt), Innenministerin (07-09) und Justizministerin (09-10).

  • Brice Hortefeux, seit Juni 2009 Innenminister. 58 geboren. Freund Sarkos. Seit seinem Amt als Immigrationsminister und verschiedenen Äußerungen wird er immer wieder verdächtig, rassistisch zu sein.

  • Christine Lagarde, seit Juni 2007 Wirtschafts- und Finanzministerin. Sie kommt nicht aus der politischen Sphäre, sondern war Anwältin, darunter 10 Jahre lang in einer amerikanischen Anwaltskanzlei in Chicago (95-2004).

  • Xavier Bertrand, seit November 2010 Arbeitsminister (auch 07-09). 65 geboren. 08-2010 Vorsitzender der UMP.

  • Interessant ist auch Frédéric Mitterrand, der offiziell der UMP nicht gehört. 47 geboren, Neffe des ehemaligen Präsidenten François Mitterrand. Seit Juni 2009 ist er Kulturminister. Er auch kommt gar nicht aus der politischen Sphäre, sondern aus dem Fernsehen. Er hat verschiedene Sendungen moderiert und ist für seine Stimme in historischen Dokumentationen bekannt. Wer die Fabelhafte Welt der Amélie in Originalversion gesehen hat, kennt seine Stimme schon. (Als Amélie im Fernsehen eine Reportage über ihr Leben sieht…)

Die Fotos und die anderen sind da

Yves Lecoq imitiert Frederic Mitterand (in dessen Gegenwart), dann kommen Chirac und Sarko.

Frédéric Mittérand hat nämlich, wie gesagt, eine sehr komische, leicht erkennbare Stimme.
:wink: